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Land der Mythen 02 - Die Flamme der Sylfen

Land der Mythen 02 - Die Flamme der Sylfen

Titel: Land der Mythen 02 - Die Flamme der Sylfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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und dann wieder hinabgestiegen waren, zu verwirrend die Anordnung der Gänge, die sich beliebig zu verzweigen schienen. Mit der von Ordnung gekennzeichneten Architektur Glondwaracs hatte dieser Ort nichts gemein; Chaos schien in diesen unterirdischen Stollen und Kammern zu regieren.
    Irgendwann – der Junge vermochte nicht einmal zu bestimmen, wie lange sie unterwegs gewesen waren – endete ihr Marsch vor einem senkrecht verlaufenden Schacht. Eis überzog den schroffen Fels, der sich in pechschwarzer Dunkelheit verlor, und eisiger Wind blies aus der Tiefe.
    Am meisten jedoch erschreckte Erwyn das, was über dem Schacht schwebte, zum Greifen nahe, von unsichtbarer Hand gehalten und von verderblich grünem Schein umflort.
    Der Form nach war es ein Horn – allerdings eines, das nie auf der Stirn eines Tieres gesessen hatte. Aus purem Gold war es gefertigt und reflektierte das grüne Licht, und silberne Verzierungen waren darauf zu erkennen, die Zeichen einer alten, von den Sterblichen vergessenen Sprache.
    »Weißt du, was diese Runen bedeuten?«, fragte Muortis voller Genugtuung.
    Erwyn war nicht fähig zu antworten. Unverwandt starrte er auf das kostbare Artefakt.
    »In die Sprache der Menschen übersetzt bedeuten sie: ›Dies ist das Horn von Danaón, Prinz und Erbe von Ventars Thron.‹«
    »Das Sylfenhorn«, entfuhr es Erwyn, der sich bis zuletzt an die schwache Hoffnung geklammert hatte, dass es sich um ein anderes Horn handeln könnte.
    »In der Tat«, bestätigte Muortis. »Jenes Horn, in das Danaón am Tag der letzten Schlacht stieß und mit dem er das Eis zum Bersten brachte. Eine mächtige Waffe zweifellos – allerdings nur in der Hand des einen, der in der Lage ist, ihm einen Ton zu entlocken. Und das bist du, mein kleiner Freund.«
    »Ihr habt es!«, hauchte Erwyn voller Entsetzen, der nicht einmal richtig zugehört hatte. »Das Horn ist in Eurem Besitz…«
    »Wundert dich das?« Wieder ließ der Herrscher der Tiefe sein höhnisches Gelächter vernehmen.
    »Aber wie…? Woher…?«
    »Die Saligen sind törichte Geschöpfe. Sie sind leicht zu täuschen und noch leichter zu hintergehen. Es war nicht schwer, ihnen ihr Geheimnis zu entlocken. Schon bald wird ihre Art vergehen. Wenn das Grundmeer erstarrt, werden auch sie jämmerlich erfrieren, und mit ihnen wird alles verschwinden, was noch an sie erinnert.«
    »Nein«, rief Erwyn trotzig, »dazu wird es nicht kommen!«
    Und noch ehe der Junge selbst recht begriff, was er tat, streckte er beide Hände nach dem Horn aus, das nur eine gute Armlänge von ihm entfernt über der dunklen Kluft schwebte.
    Es bekam ihm schlecht.
    Als wäre es ein lebendes, atmendes Wesen, erweiterte sich das grüne Leuchten, das das Horn umgab, hüllte ihn ebenfalls ein, und namenloser Schmerz durchzuckte den Jungen und schmetterte ihn zu Boden, zur Erheiterung seines finsteren Peinigers.
    »Nur zu«, ermunterte ihn Muortis voller Hohn. »Versuch es noch einmal, Sylfensöhnchen!«
    Die Zähne zusammengebissen, damit ihm kein Klagelaut entfuhr, wälzte sich Erwyn am Boden. Seine Glieder schmerzten, der Geruch von verbrannter Haut tränkte die eisige Luft. Welcher finstere Zauber auch immer das Horn bewachte, er war überaus wirkungsvoll.
    Allmählich verebbte der Schmerz, und Erwyn raffte sich wieder auf. »Meine Gefährten…«, stieß er stockend hervor.
    »Was ist mit ihnen?«
    »Sie werden einen Weg finden, das Horn an sich zu nehmen, und dann…«
    »Kaum«, fiel Muortis ihm ins Wort. »Selbst wenn sie noch leben und ihnen das Unmögliche gelingen sollte, es wird niemand mehr da sein, um in das Horn zu blasen. Denn du, mein junger Dochandar, wirst dann schon Geschichte sein…«
    Für einen Augenblick hatte Erwyn den Eindruck, dass im unergründlichen Dunkel der Kapuze ein glühendes Augenpaar aufglomm, und er zuckte voller Schrecken zusammen. Schon einen Lidschlag später war der Eindruck jedoch verflogen, und der Herr des Eises wandte sich seinen Untergebenen zu.
    »Bringt ihn in die Drachenhöhle«, wies er die beiden Trolle an.
    »Wohin?«, fragte Erwyn schaudernd.
    »Dorthin, wo alles seinen Anfang nahm«, entgegnete Muortis rätselhaft, »und wo es auch enden wird.«

 
    27
     
     
     
    »Absteigen!«
    Meinrad von Kean d’Eagol hatte es sich nicht nehmen lassen, selbst den Spähtrupp anzuführen, der einen ersten Blick auf die Feste des Feindes werfen sollte, die noch vor Kurzem der Stolz und die Zier von ganz Allagáin gewesen war.
    Iónador…
    Die Vorhut des Heeres

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