Land der Mythen 02 - Die Flamme der Sylfen
Iónador plötzlich wieder die alte Entschlossenheit, und er zog sein Schwert, das fahl im Licht der Dämmerung glänzte. »Verrat hat dafür gesorgt, dass wir nicht zur Stelle waren, um unsere Pflicht zu tun und die Goldene Stadt gegen den Ansturm des Bösen zu verteidigen. Aber wir werden dorthin zurückkehren, und ich schwöre Euch, Weib, dass ich bis zum letzten Atemzug kämpfen werde, um Iónador den Klauen des Feindes zu entreißen!«
»Ich ebenso!«, fügte Galfyn hinzu, und hundert-, wenn nicht tausendfach wurde der Schwur der beiden wiederholt. Aus unzähligen Kehlen drang er und verband sich zu einem wütenden, ohrenbetäubenden Schrei nach Rache, der alle Trägheit und alles Zaudern beendete.
Selbst Fyrhack, der sich in seinem Zorn und seiner Enttäuschung hoch in die Luft geschwungen hatte, hörte ihn, und aus dem Schlund des Drachen stach eine Flamme, deren loderndes Signal weit über das Tal des Allair hinaus zu sehen war.
25
Über verschneite Hänge und an gewaltigen Graten vorüber, die im Nebel nur als dräuende Schatten zu erahnen waren, stiegen die Gefährten weiter bergan. Obwohl es wieder schneite und der Neuschnee die Spuren bedeckte, fiel es dem Wildfänger und dem Bärengänger nicht schwer, der Fährte der Trolle und ihres Gefangenen zu folgen.
Während Alphart und Walkar der Gruppe also vorausgingen, hielt sich Yvolar auffällig im Hintergrund – ein wenig so, als hätte sich der Druide damit abgefunden, dass die Menschen die Führung übernommen hatten, und würde sich deshalb mehr und mehr zurückziehen.
Leffel war seit seiner flammenden Rede, mit der er seine Kameraden aus ihrer Trauer und Verzweiflung gerissen hatte, kaum mehr wiederzuerkennen. Kräftig schritt er aus und ließ keinen Laut der Klage vernehmen, übernahm es hin und wieder sogar, den kleinen Mux auf seinen Schultern zu tragen.
Schließlich wurde der Anstieg so steil, dass sie erneut Seile benutzen mussten. Über vereisten Fels hing es hinauf, auf dem selbst Alphart und Walkar die Spur der Trolle zeitweilig verloren. Kaum stießen die Gefährten jedoch wieder auf einen schneeverwehten Hang, fanden sie die Fährte der Unholde wieder.
Irgendwann erreichten sie ein gewaltiges Felsmassiv, an dem der Wind so erbarmungslos herabstrich, dass kaum Schnee liegen blieb; dafür war der Boden von einer Kruste grauen Eises überzogen, das von tiefen Spalten durchzogen war.
»Dies, meine Freunde«, rief Yvolar gegen das Heulen des Windes, »sind die letzten Reste des Mardaic, des Großen Eises, das einst das Land überzog, als Muortis es mit grausamer Hand beherrschte. Nur auf den höchsten Gipfeln der Berge, wo der Winter das ganze Jahr dauert, hat es sich erhalten, und von dort schickt es sich an, wieder hinab in die Täler zu wandern, um sie wie einst mit Kälte und Tod zu überziehen.«
»Das ist mir gleichgültig, alter Mann«, gab Alphart grimmig zur Antwort, der in die Knie gegangen war, um den Boden nach Spuren abzusuchen. »Mich interessiert nur die Fährte der Trolle – und wie es aussieht, haben wir sie verloren.«
»Was?«, fragte Leffel entsetzt.
»Zuletzt war sie dort drüben im Schnee zu sehen«, sagte Walkar und wies hinter sich, »und wenn wir davon ausgehen, dass die Unholde die Richtung nicht geändert haben, sind sie geradewegs zu diesem Riss im Eis gegangen.« Mit diesen Worten richtete er den Arm in Richtung einer nahen Gletscherspalte.
Vorsichtig trat Leffel an deren Rand. Schon nach wenigen Schritten verbreiterte sie sich auf eine halbe Mannslänge. Leffel spähte in die unergründliche Kluft und sagte bang: »Hoffentlich sind die Trolle nicht hineingefallen und haben Erwyn mit in den Tod gerissen.«
»Kaum«, entgegnete Yvolar gelassen.
»Woher willst du das wissen?«, fragte Alphart.
»Weil Muortis’ Reich nicht auf den Gipfeln dieser Welt liegt, sondern in den Tiefen darunter«, gab der Druide zur Antwort. »Die Trolle sind nicht in diese Spalte gefallen, sie sind hineingestiegen. Dies, meine Gefährten, ist der Eingang nach Urgulroth.«
»Bist du sicher?«, fragte Alphart erstaunt.
»Allerdings. Wenn es mir mein Verstand nicht sagen würde, dann meine Instinkte. Ich fühle das Böse, das aus der Kluft empordringt.« Er wandte sich zu den anderen um und schaute sie an. »Der Augenblick des Abschieds ist gekommen. Die Gefährten müssen von nun an getrennte Wege gehen.«
Alphart und Leffel wechselten einen Blick, und es war beiden anzusehen, dass ihnen nicht wohl bei der
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