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Land der Schatten - Andrews, I: Land der Schatten

Land der Schatten - Andrews, I: Land der Schatten

Titel: Land der Schatten - Andrews, I: Land der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilona Andrews
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Tischplatte und den Kopf auf die Fäuste und verbarg sein Gesicht.
    »Falls Sie jemals etwas brauchen …« Urow stemmte sich auf die Beine.
    William nickte. Der Rest war Schweigen.
    Urow drehte sich um und ging hinaus.
    »Sie hätten das nicht annehmen dürfen.« Erian hob den Kopf. »Jetzt ist es zu spät.«
    Kaldar seufzte. »Sie sind ein guter Mann, William. Dumm, aber gut.«
    William hatte allmählich genug. »Sie reden zu viel.«
    »Das predige ich ihm schon seit Jahren«, sagte Erian.
    Da ging die Tür zum zweiten Mal auf, und eines von Urows Kindern kam herein. Gaston, wie William sich erinnerte. Seinem Gesicht nach zu urteilen, war der Junge so um die sechzehn, noch schlanker als Urow, aber schon ein paar Zentimeter größer und auf dem besten Weg zu der massigen Statur seines Vaters. Die oberflächlichen Narben an den muskulösen Oberarmen verrieten, dass er auch dessen Temperament besaß. Wahrscheinlich prügelte er sich mit seinen Brüdern. William studierte sein Gesicht: kantiger Kiefer, flache Wangenknochen, tief liegende Augen, erschreckend blasse Haut unter buschigen schwarzen Augenbrauen. Bei ausreichend schlechter Beleuchtung konnte der Junge als menschlich durchgehen. Ums Kinn und am Hals hatte er blaue Flecken. Offenbar hatte ihn jemand gezüchtigt.
    William wies auf den Stuhl ihm gegenüber. »Setz dich.«
    Der Junge nahm mit hochgezogenen Schultern Platz, so als rechne er damit, sich neuer Schläge erwehren zu müssen. An seiner linken Hand fehlte eine Klaue. Die Wunde war noch kaum verschorft.
    »Hast du Hunger?«
    Der Junge beäugte das Essen und schüttelte den Kopf.
    William nahm noch einen Teller, füllte ihn und stellte ihn vor den Jungen. »Lüg mich nicht an. Ich weiß es besser.«
    Der Junge fiel über sein Frühstück her. William ließ ihn einige Minuten essen. Allmählich entspannte sich die Haltung des Kleinen.
    »Wie alt bist du?«
    »Fünfzehn.«
    Drei Jahre älter als George.
    »Wie heißt du?«
    »Gaston.«
    William berührte das Amulett. »Was hast du angestellt?«
    Gaston erstarrte mit halb zum Mund geführter Gabel.
    William sagte nichts.
    Der Junge schluckte. »Sie war’n weg. Dad hat geschlafen. Ry und Mart waren Rolpies hüten, weil Mom Angst hatte, dass die Sheeriles kommen und zuerst unsere Rolpies töten. Ich sollte aufs Haus aufpassen. Wir haben eine Handkurbelsirene im Baum. Wenn was wäre, sollte ich die Sirene drehen, damit Mart und Ry nach Hause kommen. Mom hat Karpfen gemacht.« Gaston starrte auf seinen Teller. »Dad hasst Karpfen. Schmeckt wie Wasserpest. Ich hab nachgesehen, ob was angebissen hat.« Gaston blickte weiter auf seinen Teller. »Ich hab meine Familie im Stich gelassen.«
    »Wer kam ins Haus, während du fort warst?«, fragte William.
    Gastons Stimme wurde monoton. »Ein Mann. Er hat Mom angegriffen. Er … hat ihr ein Bein abgehackt. Ignata meint, sie kann nichts für sie tun. Mom ist jetzt verkrüppelt. Wegen mir.«
    Der Junge goss kübelweise Selbsthass über sich aus. Dabei war er gar nicht schuld. Clara hätte verschwinden sollen, nachdem Cerise ihr von Ruh berichtet hatte. Gaston wurde nicht von seiner Familie verstoßen, weil er seinen Posten verlassen hatte. Schließlich war er ein Kind und vermutlich noch nicht voll ausgebildet. Gaston wurde verstoßen, weil Urow Clara liebte und von nun an, wenn er seinen Sohn ansah, immer an ihre Verwundung erinnert werden würde. Urow hatte sich selbst in diese Lage gebracht, seine Frau war geblieben, während sie hatte gehen sollen, und jetzt luden sie ihre Schuld und ihr Versagen bei ihrem Kind ab und verbannten es aus ihrem Familienkreis. Ein klarer Schnitt.
    In seinem Inneren scharrte die Wildheit mit Füßen. Großartig. Jetzt hatte er also ein Kind.
    »Wie sah der Mann aus?«
    »Ich hab ihn nur ganz kurz gesehen, als er aus dem Fenster gesprungen ist. Groß. Blond.«
    »Wie noch?«
    »Er hat Clara Limonen für ihre Suppe mitgebracht«, sagte Kaldar leise.
    Spider. William unterdrückte ein Knurren. Nur Spider konnte in das Haus einer Frau eindringen, die er verhören wollte, und ihr gleichzeitig Früchte mitbringen.
    William beugte sich vor. »Der Mann tauchte unter, ohne Luft zu holen.«
    Gaston blinzelte. »Ja. Dad und die Jungs haben mir nicht geglaubt. Aber er kam nicht wieder hoch.«
    »Er hat Kiemen, die seine Lungen mit Luft versorgen. Was wollte er denn von deiner Mutter?«
    »Er hat nach Ihnen und Cerise gefragt.«
    Damit hatte William gerechnet. Clara hatte Spider nicht verraten, was er

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