Land der Schatten - Andrews, I: Land der Schatten
Mir ist klar, was Sie vorhaben.« Formwandler konnten ihre Gefühle nicht so gut kontrollieren. Daraus folgte eine der bevorzugten Vorgehensweisen auf der Hawk’s: Man machte die Gestaltwandler wütend, brachte sie mit Blutgeruch in Wallung, oder mit einem Schlag ins Gesicht, und ließ sie anschließend kämpfen und alles in ihrer Reichweite in Stücke reißen. Aber er war ein alter Wolf, der seine erste Jagd längst hinter sich hatte. »Mit billigen Tricks erreichen Sie bei mir gar nichts.«
Nancy lächelte, und er kämpfte gegen den Drang an, vor ihr zurückzuweichen.
»Ich hatte recht. Sie sind der Richtige. Sie bekommen alles, was Sie brauchen, Waffen, Technik, Kartenmaterial, alles, was wir über Spiders Leute herausgefunden haben.«
William zeigte ihr seine Zähne. »Sie gefallen mir nicht, und diese Mission gefällt mir noch weniger.«
»Es ist nicht nötig, dass Sie mich oder die Mission mögen«, teilte Nancy ihm mit. »Sie sollen nur Ihre Aufgabe erfüllen. Das ist alles.«
»Mal angenommen, ich mache das für Sie. Was springt für mich heraus?«
Nancy wölbte die Augenbrauen. »Erstens, Vergeltung. Zweitens, ich schulde Ihnen was. Schon dafür würden manche ihren rechten Arm hergeben. Aber was viel wichtiger ist: Sie können sich absolut sicher sein, dass Spider nie wieder ein Gestaltwandlerkind töten wird. Denken Sie darüber nach, William Wolf. Aber beeilen Sie sich. Die Zeit ist knapp.«
Kalter Nieselregen rieselte auf den Sumpf, ließ die Bäume verschwimmen und verschleierte den schmalen Weg. Das Geräusch dreier vergnügt mit den Hufen klappernder Pferde mischte sich mit dem Zwitschern der Vögel und dem Zirpen der Insekten.
Wenn sie gekonnt hätte, wäre Cerise lieber galoppiert. Stattdessen verhielt sie im Passgang. Es fehlte ihr gerade noch, dass sie jetzt im vollen Galopp in einen Hinterhalt geriet.
»Das war’n Sheeriles«, sagte Erian rechts von ihr. Schmal und blond saß er im Sattel, als sei er darin geboren worden. Die Fehde zwischen ihrer Familie und den Sheeriles hatte ihm die Mutter genommen, als er elf war. Cerises Eltern hatten ihn aufgezogen. Daher war er für sie mehr ein Bruder als ein Vetter.
»Sie haben keinen Grund, die Fehde wieder aufleben zu lassen«, tönte Mikita. Die Natur hatte bei seiner Geburt den Lautstärkeregler vergessen, und er kannte nur zwei Lautstärken: Donner und krachenden Donner.
Anders als Erian saß er im Sattel, als befürchte er, sein Pferd könne sich unter seinem riesigen, stämmigen Körper davonmachen. Eins achtundneunzig groß, 130 Kilo schwer, dabei kein Gramm Fett, war er für einen Mar eigentlich zu massig. Mit einer Tagesration Fisch und Sumpfbeeren wurde man kaum so groß, Mikita hatte es trotzdem geschafft.
»Die Sheeriles brauchen keinen Grund«, meinte Erian.
»Und ob sie einen brauchen, und das weißt du auch. Wenn sie keinen Anlass liefern, kommt die Moormiliz über sie wie eine Schütte Ziegelsteine«, erwiderte Mikita.
Er hatte recht, dachte Cerise, als sie die Biegung des verschlungenen Weges nahmen. Das Herzogtum Louisiana war äußerst großzügig, wenn es darum ging, die Bevölkerung des Moors durch Ausgestoßene aufzustocken. Keiner von denen achtete das Gesetz oder wahrte den Frieden. Die Edger-Familien hielten zusammen, verbanden sich zu Clans aus halb verhungerten Einheimischen mit nervösem Abzugsfinger. Fehden gediehen im Moor wie Sumpfblüten, und einige der Alteingesessenen waren mächtige Magier. Allein in ihrer Familie gab es vier Fluchwirker und sieben Blitzwerfer, dazu Leute wie Catherine und Kaldar, deren Zauberkräfte so speziell waren, dass es nicht mal einen Namen dafür gab. Wenn niemand die Fehden im Auge behielt, gab es bald keinen mehr im Moor, mit dem man in Fehde liegen könnte.
Aus dem Grund hatten sich die Edger irgendwann zusammengetan und ihre eigene Gerichtsbarkeit sowie ihre eigene Miliz gegründet. Seitdem musste jeder, der eine Fehde neu entfachen wollte, einen Grund dafür vorweisen. Das wussten die Sheeriles. Das Problem war nur, dass sie sich Cerises Meinung nach nicht daran halten würden.
»Sie haben so viel Geld und es all die Jahre zusammenhalten können«, sagte Mikita.
Erian runzelte die Stirn. »Was spielt Geld denn für eine Rolle?«
»Leute, die ihr Geld so lange zusammenhalten, sind nicht blöd. Die gehen kein Risiko ein, wenn sie sich keinen Vorteil davon versprechen. Und Onkel Gustave und Tante Gen grundlos zu entführen bedeutet ein verdammt hohes Risiko. Die wissen
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