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Land der Schatten - Andrews, I: Land der Schatten

Land der Schatten - Andrews, I: Land der Schatten

Titel: Land der Schatten - Andrews, I: Land der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilona Andrews
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doch, dass unsere ganze Familie dann auf Blut aus sein wird.«
    Cerise seufzte insgeheim. Im Unterschied zu den Sheeriles waren die Mars arme Sumpfbewohner: Sie besaßen Land und waren zahlreich, Geld jedoch hatten sie keines. So waren sie auch zu ihren Spitznamen gekommen: Ratten. Zahlreich, armselig und bösartig. Wegen der Bösartigkeit machte sie sich keinen Kopf, an der Armut konnte sie nichts ändern, und was ihre Zahl anging … nun, da war schon was dran. Die Sheeriles würden im Kampf ihre Söldner verlieren, sie aber ihr eigen Fleisch und Blut.
    Der Gedanke ließ Cerise zusammenzucken. Die Abwesenheit ihres Vaters machte sie zum Familienoberhaupt. Sie war die Älteste seiner Kinderschar und die einzige ausgebildete Kriegerin in ihren Reihen. Und wenn ihren Eltern etwas zustieß, würde sie ihre Familie in den Tod schicken müssen. Cerise hielt die Luft an und stieß sie dann langsam aus, um so ihre Besorgnis loszuwerden. Dieser Morgen hatte sich in Lichtgeschwindigkeit in eine Katastrophe verwandelt.
    Hinter der Wegbiegung kam die verfallene Hülle von Sene Manor in Sicht. Cerises Herz setzte einen Schlag aus. Auf der Veranda stand ein schlaksiger Mann gegen den Pfosten gelehnt, strohblondes Haar fiel ihm über die Schultern. Er hob den Blick, die Augen leuchteten in dem gebräunten Gesicht, ein langsames, träges Lächeln dehnte seine Lippen.
    Lagar Sheerile. Der älteste der Sheerile-Brüder. Die Brüder und ihre Mutter führten den Clan, seit ihr Vater vor drei Jahren vom Baum gefallen war. Sheerile Senior war dabei so hart mit dem Kopf aufgeschlagen, dass er nicht mal mehr selbstständig essen, geschweige denn denken konnte. Aber das geschah ihm nur recht.
    Hinter ihr fluchte Erian leise.
    Neben Lagar schaukelte sein Bruder Peva in einem halb vergammelten Schaukelstuhl und schnitzte etwas aus einem Stück Holz. Ungeachtet des Nieselregens standen die Fenster des verwaisten Anwesens weit offen. Dahinter warteten Männer. Cerise zählte zwei Armbrüste, drei Gewehre und eine Schrotflinte. Also hatten die Sheeriles mit ihnen gerechnet und ein paar Mietlinge mitgebracht. Und ordentlich dafür gelöhnt – die Schützen mit den Gewehren aus dem Broken kosteten ein Heidengeld.
    Alles zusammen – die Sheerile-Brüder, das baufällige Haus und die Gewehre in den Fenstern – ergab einen perfekten Schnappschuss des Moors. Wie auf einer schrägen Ansichtskarte. Cerise wünschte sich, sie könnte diese Szenerie den Blaublütigen in Louisiana unter die Nase reiben. Wollt ihr wissen, wie es sich im Edge lebt ? Dann seht euch das an. Und denkt beim nächsten Mal daran, wenn ihr noch mehr Probleme bei uns abladen wollt .
    Peva glitt aus seinem Schaukelstuhl, eine hochgewachsene, viel zu lang wirkende schlaksige Gestalt. Auf dem Geländer neben ihm lag seine Armbrust. Er war dermaßen stolz auf das Scheißding, dass er ihm sogar einen Namen verpasst hatte: Wespe. Als sei das Teil Excalibur oder sonst was. Peva griff danach, überlegte es sich dann aber anders. Wollte wohl kein Aufhebens machen, oder was? Anscheinend waren sie nicht gefährlich genug.
    Cerise starrte Lagar an. Wo sind meine Eltern, du eingebildeter Hurensohn ?
    Eine Tür schlug, und der dritte Bruder schlenderte in ihr Blickfeld. Er trug Lagars Schwert. Arig war mit achtzehn der Jüngste und Dümmste. Cerise hätte die drei im Dunkeln, umgeben von Wildfremden, binnen Sekunden ausschalten können. Sie war in dem Wissen aufgewachsen, eines Tages einen der Sheerile-Brüder töten zu müssen, und die Brüder wussten, dass sie Cerise töten mussten, bevor sie ihrerseits über sie herfiel und sie kaltmachte. Sie hatte sich seit Langem damit abgefunden.
    Arig hielt Lagar das Schwert hin, doch der blonde Sheerile schenkte ihm keine Beachtung. Für heute stand der Kampf gegen sie nicht auf dem Programm. Noch nicht.
    Cerise brachte ihr Pferd vor der Veranda zum Stehen.
    Lagar nickte ihr knapp zu. »Schönen guten Morgen.«
    »Dir auch, Lagar.« Sie lächelte und gab sich Mühe, nett und aufgeräumt dreinzublicken. »Habt ihr Jungs euch verlaufen?«
    »Nicht, dass ich wüsste.« Lagar gab ihr freundliches Lächeln zurück.
    »Und was macht ihr auf meinem Land, wenn ihr euch nicht verlaufen habt?«
    Lagar löste sich mit gekünstelter Lässigkeit vom Verandapfosten. »Mein Land, Liebes.«
    »Seit wann?«
    »Seit dein Vater es heute Morgen an mich verkauft hat.«
    Den Teufel hatte er getan. Sie schürzte die Lippen. »Was du nicht sagst.«
    »Arig«, rief Lagar.

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