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Land der Schatten - Andrews, I: Land der Schatten

Land der Schatten - Andrews, I: Land der Schatten

Titel: Land der Schatten - Andrews, I: Land der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilona Andrews
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Mann, der sich das Blut abwusch, wäre alles andere als ein attraktiver Anblick. Von wegen.
    Aber es ging gar nicht um seinen Körper, dachte sie. Es ging um seine Augen, um die Art, wie er sie ansah.
    »Hast du’s mal mit Anspielungen versucht?«, fragte Ignata.
    »Ich hab haufenweise Anspielungen gemacht«, antwortete Cerise. »Aber er zieht sich jedes Mal zurück. So wird das nichts.«
    »Ich sehe nicht, wie’s anders kommen könnte.« Ignata biss sich auf die Lippen. »Ist doch nicht zu übersehen, dass er sich an dich ranmachen will.«
    »Womöglich kriegt er ja was nicht mit«, sagte Tante Pete. »Manche Männer …«
    »… muss man mit der Nase draufstoßen. Ja, alles klar, Mutter.« Ignata verdrehte die Augen.
    »Ich will mich ihm aber nicht an den Hals werfen.« Cerise verzog das Gesicht.
    »Nein, das wäre nicht gut.« Tante Pete zog die Stirn kraus. »Hast du nicht gesagt, er war mal Soldat? Er ist doch wohl nicht …?«
    »Oh, Gott!« Ignata blinzelte. »Du meinst, da könnte unten rum was nicht stimmen?«
    Alle sahen William an, der ausgerechnet diesen Augenblick auswählte, um sich sein nasses Hemd wieder über den Rücken zu streifen, wozu er sich ordentlich straffen und die Arme ausstrecken musste.
    »Wär ’ne Schande«, murmelte Cerise. Vielleicht war er ja impotent. Das würde die Enttäuschung erklären, die sie in seinem Gesicht gesehen hatte.
    »So eine Verschwendung«, sagte Tante Pete trübsinnig.
    »Mit diesem Körper ist alles in Ordnung«, sagte Großmutter Az. »Das Problem steckt im Kopf.«
    William drehte sich um. Er ging an den Frauen vorbei dorthin, wo Kaldar und Gaston um einen Stein schacherten, blieb aber kurz stehen, um Cerise anzuschauen. Etwas, das hungrig und krank vor Verlangen wirkte, funkelte sie aus seinen Augen an, dann wandte er sich ab.
    Als würde man sich verbrennen.
    »Oh, Mann«, murmelte Ignata.
    »Jetzt ist auch nicht die Zeit für so was.« Cerise setzte sich aufrechter hin.
    »Bist du verrückt?« Tante Pete glotzte sie an. »Ihr könnt beide morgen sterben. Jetzt ist genau der richtige Zeitpunkt. Lebe, solange du kannst, Kind.«
    Da legte sich eine Hand auf Cerises Schulter. Sie wandte sich um. Tante Murid nickte ihr zu und stakste auf ihren langen Beinen genau auf William zu.
    Sie sagte etwas, William nickte, dann gingen die beiden gemeinsam davon. Gaston folgte ihnen auf dem Fuß. Kaldar blieb noch eine Sekunde stehen, betrachtete einen Stein in seiner Hand, zuckte die Achseln und ging ihnen nach.
    »Was sollte das denn jetzt?«, wollte Ignata wissen.
    »Wer weiß.« Tante Pete zuckte die Schultern.

 
    20
    Spider öffnete die Augen. Er lag auf dem Grund des Pools unter Wasser, in kühler, schattiger Tiefe. Über ihm, wo Wasser und Luft zusammentrafen, glitzerte ein feuchter Himmel. Ihm war weder warm noch kalt. Nichts rührte das Wasser auf. Er war ganz allein, gewichtslos, und beobachtete, wie das Sonnenlicht ins Wasser fiel und es aufleuchten ließ.
    Wenn er die Augen schloss, konnte er so tun, als tauche er in den durchsichtigen Gewässern tief im Süden, wo ein Ausläufer der Neuägyptischen Inseln sich von der Ostspitze des Kontinents bis weit in den Ozean erstreckte. Dort zu schwimmen, über die Korallenriffe zu gleiten, umgeben von Leben, aber gnädig von allem Menschlichen verschont, gab ihm ein Gefühl von Frieden sowie das schlichte, erregende Hochgefühl, am Leben zu sein.
    Leider tauchte er gerade nicht im Ozean. Spider gestattete sich einen letzten Moment des Bedauerns und kehrte dann mit einem Schlag völlig lautlos an die Wasseroberfläche zurück.
    Die Luft war unangenehm frisch. Die Hautlappen an seinen Flanken schlossen sich und verbargen die rosafarbenen, faserigen Fächer seiner Kiemen. Unter seinen zahlreichen Modifikationen stellte diese die zugleich nutzloseste und angenehmste dar.
    Spider griff nach dem Beckenrand und zog sich daran hoch. Über ihm schien hell die Sonne. Der Himmel zeigte ein klares, kristallines Blau, aber trotz des seltenen Sonnenscheins sah der Sumpf aus wie immer, ein urzeitliches Chaos aus Fäulnis und Schlamm. Links ragte das Herrenhaus, das sie als ihren Stützpunkt auserkoren hatten, über die Baumwipfel, rang um stattliche Eleganz und verlor.
    Veisans pfauenblaue Augen empfingen ihn. Der Kontrast zwischen den türkisfarbenen Iriden und ihrer roten Haut verblüffte ihn jedes Mal. Sie sah ihn ernsthaft und erwartungsvoll an. Wie ein Hündchen, dachte Spider. Ein mörderisches, tödliches, psychotisches

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