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Land der Schatten - Andrews, I: Land der Schatten

Land der Schatten - Andrews, I: Land der Schatten

Titel: Land der Schatten - Andrews, I: Land der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilona Andrews
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Herzen.«
    Die ältere Frau blickte in die mit Nacht vollgesogenen Zypressen. »Mit neunzehn lernte Hugh ein Mädel kennen. Georgina Wallace. Sie war sehr hübsch, und Hugh sah auch sehr gut aus. Also ließ sie sich auf ihn ein. Ein paar Wochen lang schwebten die beiden im siebten Himmel. Doch dann beschloss Georgina, dass der Spaß vorbei sei, und kam mit der Neuigkeit, dass sie mit Tom Rook drüben in Sicktree verlobt sei.«
    »Autsch.«
    »Hugh kapierte gar nichts. Er liebte sie über alles, und konnte sich überhaupt nicht vorstellen, dass sie seine Liebe nicht erwiderte. Ich habe damals versucht, ihn zu beruhigen und ihm zu erklären, dass nicht immer alles so läuft, wie man’s gerne hätte. Ich wollte ihm klarmachen, Georgina habe ihm etwas vorgemacht, aber das konnte er nicht zulassen. Sie war sein Ein und Alles. Sie nahm ihn, wie er war, sie schlief mit ihm, und das bedeutete für ihn, dass sie für immer zusammengehörten. Hugh hielt Georgina für seine Gefährtin. Seine Seelenverwandte.«
    Cerise überlief es kalt. »Was geschah dann?«
    »Hugh ist abgehauen. Am nächsten Morgen fand man Tom Rook, Georgina und Toms Bruder Cline. Tom und Georgina waren in Stücke gerissen. Cline hat’s überlebt. Für sein Leben verkrüppelt, aber lebendig. Er gab an, ein riesiger grauer Hund sei ins Haus eingedrungen und habe sie zerfetzt.«
    »Hugh hat einen unserer Mastiffs auf sie gehetzt?«
    »Nein.« Murid schloss die Augen. »Kein Mastiff. Cline hat das Moor nie verlassen. Mit Hunden kannte er sich aus, mit sonst nichts. Aber ich habe die Spuren gesehen, die das Tier hinterlassen hat. Es war ein Wolf. Ein großer, grauer Wolf.«
    »Im Moor gibt es keine Wölfe«, sagte Cerise.
    »In jener Nacht gab’s einen.«
    Cerise runzelte die Stirn. »Was soll das heißen?«
    Murid blickte in den Sumpf. »In der Nacht ging Hugh ins Broken. Es gibt hier jede Menge Louisianer aus dem Weird, und dort werden solche wie Hugh getötet. Verstehst du mich, Ceri? Solche wie er werden getötet. Sie werden nach der Geburt erdrosselt oder ertränkt. Wie Karnickelmischlinge.«
    Die Erkenntnis traf Cerise wie ein Steinwurf zwischen die Augen. Onkel Hugh war ein Gestaltwandler.
    Unmöglich. Gestaltwandler waren dämonische Wesen aus gruseligen Gutenachtgeschichten. Wahnsinnige, mörderische, böse Wesen. Das Herzogtum Louisiana brachte sie mit gutem Grund um – weil sie viel zu gefährlich waren. Sie verwandelten sich in wilde Tiere und rissen und fraßen Menschen. Alles, was sie über sie gehört hatte, ließ sie wie Ungeheuer erscheinen.
    Aber sosehr sie sich auch anstrengte, sie konnte sich Onkel Hugh nicht als Ungeheuer vorstellen. Er gehörte zur Familie. Er hatte das Baumhaus gebaut, in dem sie als Kind gespielt hatte, die Hunde ausgebildet, Eiscreme gemacht. Er war ruhig und stark, seine Augen blickten freundlich, und sie hatte ihn niemals wütend erlebt.
    »Hat er seitdem noch mal jemanden getötet?«
    Murid schüttelte den Kopf. »Es sei denn, die Familie hätte ihn drum gebeten.«
    »Weiß Vater davon?«
    Murid nickte.
    Es musste einen Grund für diese Geschichte geben. Vielleicht hatte ihr Vater ihn aufgefordert, von hier zu verschwinden. Und vielleicht sah Murid eine Möglichkeit, ihren Bruder zurückzuholen.
    »Gestaltwandler oder nicht, er ist mein Onkel. Er ist hier jederzeit willkommen.«
    »Das weiß er. Er ist aus eigenem Antrieb im Broken.«
    Okay. »Und warum hast du mir das alles erzählt?«
    »Hugh ist ein sehr starker Mann.« Murids Blick schweifte in die Ferne. »Er kann sehr gut mit der Armbrust und mit dem Gewehr umgehen. Seine Reflexe sind besser ausgebildet, und er braucht kaum Zeit, um ein Ziel anzuvisieren. Vor dem Tod hat er keine Angst. Er akzeptiert ihn als Tatsache und macht weiter.«
    William .
    Ihr Herz trommelte gegen ihre Rippen. Nein, bitte nicht . »Onkel Hugh ist auch sehr schnell, oder?«
    Tante Murid nickte.
    »Und seine Augen leuchten im Dunkeln?«
    Murid nickte wieder. »Er hat mir auf dem Schießplatz immer sagen können, was es zu essen gab, weil er den Geruch aus der Küche wahrnahm.«
    Der Schießstand war ein gutes Stück vom Haus entfernt. So weit, dass jemand, der sich im Haus befand und die Aufmerksamkeit dort draußen auf sich lenken wollte, schreien musste, so laut er eben konnte. Cerise räusperte sich, damit ihre Stimme nicht kippte. »Du hast William heute mit auf den Schießstand genommen.«
    Murids Blick verlor sich im Sumpf. »Hühnchen mit Kreuzkümmel und Reis.«
    »Verstehe.«

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