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Land der Schatten - Andrews, I: Land der Schatten

Land der Schatten - Andrews, I: Land der Schatten

Titel: Land der Schatten - Andrews, I: Land der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilona Andrews
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lebte erst ein Jahr im Moor. Schauen Sie sich das hier an. Das wird Ihnen besser gefallen.«
    Er betrachtete das nächste Bild. Darauf saß eine junge Frau etwa in Cerises Alter auf einem riesigen toten Alligator und stützte sich mit dem Ellbogen auf dessen Kopf ab. Ihr Grinsen zerriss die Dreckkruste auf ihrem Gesicht.
    Er nickte. »Ja, das gefällt mir besser.«
    »Sie hat meinen Großeltern endlos Sorgen gemacht. Großmama Vienna und Großpapa Vernard. Großvaters Lieblingswitz war, dass sie zusammen ein W ergaben. Deshalb wollte er meiner Mutter einen Namen mit W geben, aber Großmutter war dagegen.«
    Cerise griff nach einem faustgroßen Glaswürfel mit einem kleinen Kristall auf dem Grund und drückte auf einen Knopf. Im Innern des Kristalls entstand ein winziger Funke, und über dem Glaswürfel erwachte das dreidimensionale Porträt eines Paares zum Leben. Ein Andenken aus dem Weird, und kein billiges, da es die Reise überstanden und all die Jahre gehalten hatte.
    William musterte das Paar. Die Frau ähnelte Genevieve auf ihrem Hochzeitsfoto. Die gleiche Zerbrechlichkeit, als bestünde sie selbst aus dünnem Kristall. Neben ihr saß ein Mann zurückgelehnt auf einem Stuhl und machte ein betretenes Gesicht. Lange, dünne Beine, ebensolche Arme. Selbst sitzend wirkte er sehr groß.
    Beide waren Blaublütige, keine Frage, und zwar mit einem Riesenstammbaum. Und mit Geld. Ihre Kleidung sah teuer aus, und die Smaragde am Hals der Frau mussten ein kleines Vermögen gekostet haben.
    »Ich habe Ihnen ja schon gesagt, dass mein Großvater und ich uns sehr nahestanden. Er war begabt, sehr klug. Er nahm sich immer Zeit für mich. Wir haben zusammen im Garten gearbeitet. Und morgen müssen wir losziehen und die Sheeriles aus seinem Haus verjagen.«
    Cerise straffte die Schultern. »Meine Großeltern entstammten einer alten Familie aus dem Weird. Mein Großvater befasste sich mit medizinischer Forschung. Er war richtig berühmt. Sie genossen große Hochachtung und hatten Geld. Meine Mutter hat mir immer von ihrem Schloss erzählt. Irgendwo im Norden. Dort gab es Hartriegelbäume, die im Frühjahr weiß blühten, und Mutter berichtete von Bällen, die Menschen aus der ganzen Umgebung zum Tanzen anlockten … Waren Sie schon mal auf einem Ball, William?«
    Er war auf zu vielen Bällen gewesen. Declans Onkel Casshorn hatte ihn in der Hoffnung, er und Declan würden einander umbringen, durch Adoption aus dem Gefängnis befreit. Und mit der Adoption kamen die Benimmlektionen. »War ich.«
    Cerise sah ihn an. »Macht es Spaß?«
    »Ich habe mich gelangweilt. Zu viele Leute, zu viele Farben. Alles ist zu grell und zu aufgekratzt. Alle reden, keiner hört zu, weil alle daran interessiert sind, gesehen zu werden. Nach einer Weile ist ein Ball wie der andere.«
    »Ich würde gerne mal hingehen«, erwiderte sie. »Kann sein, dass es mir auch nicht zusagt, aber ich möchte wenigstens einmal auf einen Ball, um sagen zu können, dass ich da war. Manchmal fühle ich mich betrogen. Ich weiß, ich bin egoistisch, aber mitunter frage ich mich, was hätte sein können, wenn mein Großvater nicht verbannt worden wäre. Wer weiß, vielleicht wäre aus mir eine Dame geworden.«
    Er konnte mit Damen nicht besonders viel anfangen. Damen waren die Frauen, Töchter oder Schwestern anderer Männer. Sie waren nicht real, eher Trophäen außerhalb seiner Reichweite. Cerise war real. Und stark.
    Sie sah aus, als müsse sie weinen.
    »Würden Sie gerne tanzen?«
    Sie riss die Augen auf. »Ist das Ihr Ernst?«
    Was er einmal gelernt hatte, vergaß er nie wieder. Also trat William einen Schritt vor und vollführte mit vorgestrecktem linkem Arm eine formvollendete tiefe Verbeugung. »Würdet Ihr mir die Ehre erweisen, mit mir zu tanzen, Lady Cerise?«
    Sie räusperte sich, raffte imaginäre Röcke und machte einen Hofknicks. »Aber sicher, Lord Bill. Wir haben allerdings keine Musik.«
    »Macht nichts.« Er trat auf sie zu und legte einen Arm um ihre Taille, während sie die Hand auf seiner Schulter platzierte. Ihr Körper berührte seinen, dann wirbelte er mit ihr, sie leichtfüßig führend, über den Speicher. Sie brauchte einen Moment, doch dann fand sie seinen Rhythmus und folgte ihm. Sie war biegsam und flink, und er stellte sie sich die ganze Zeit nackt vor.
    »Sie tanzen sehr gut, Lord Bill.«
    »Vor allem mit dem Messer.«
    Sie lachte. Sie umkreisten einmal, zweimal den Dachboden, dann steuerte er die Mitte der Kammer an, wo sie vom schnellen

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