Land der Schatten - Andrews, I: Land der Schatten
mussten eben die Worte genügen, die ihr zu Gebote standen. Also los . »Wir müssen uns Großvaters Haus zurückholen. Erstens sind meine Eltern dort verschwunden, wenn es also irgendwelche Hinweise gibt, dann in Sene. Zweitens muss ich euch nicht erst erklären, dass im Moor alles von Reputation abhängt. Wir sind immer nur so stark, wie die anderen glauben. Wenn wir zulassen, dass die Sheeriles uns ein Stück Land wegnehmen, können wir ebenso gut auf der Stelle einpacken.«
Kein Widerspruch. So weit, so gut.
»Kaldar, wie viel Zeit haben wir, um diese Urkunde anzufechten?«
Ihr Vetter zuckte die Achseln. »Den Antrag beim Moor-Gericht müssen wir bis morgen Abend stellen. Der Gerichtstermin könnte dann in zehn bis vierzehn Tagen sein.«
»Kannst du Aufschub bewirken?«
»Höchstens um ein, zwei Tage.«
Richard verzog missbilligend die Lippen. »Wenn wir den legalen Weg gehen, verlieren wir. Um das Dokument der Sheeriles anzufechten, benötigen wir Großvaters Originalbesitzurkunde für Sene Manor. Und seinen Verbannungsbefehl. Beides haben wir nicht.«
Cerise nickte. Diese Dokumente und zahlreiche andere waren vor vier Jahren bei einem Hochwasser draufgegangen, das ihre Speicher fast völlig zerstört hatte. Daran hatte sie auf dem Ritt hierher auch schon gedacht.
»Können wir keinen Ersatz besorgen?«, fragte einer der Jüngeren.
»Nein.« Kaldar schüttelte den Kopf. »Wenn die Louisianer einen verbannen, werden drei Abschriften des Befehls angefertigt. Eine geht direkt an das Königliche Archiv, die zweite bekommen die Marschalls, die den Verbannten überstellen, beim Erreichen des Edge wird sie den Grenzwachen übergeben, die dritte Abschrift wird schließlich dem Verbannten ausgehändigt. Die Grenzwachen werden sich nicht gerade überschlagen, ihre Abschrift für uns aufzutreiben. Die lassen uns nicht mal nah genug an sich ran, um danach fragen zu können, sondern knallen uns ab und binden unsere Leichen an Bäume entlang der Grenze.«
»Aber jeder Verbannte bekommt einen Verbannungsbefehl?«, wollte Cerise wissen.
»Zumindest alle Erwachsenen«, antwortete Kaldar. »Worauf willst du hinaus?«
»Damals wurden zwei Erwachsene verbannt. Großvater und Großmutter«, warf Richard ein. »Und Großmutters Verbannungsbefehl ist nicht abgesoffen. Das weiß ich, weil ich die Papiere damals durchgesehen habe. Wo ist sie jetzt?«
»Hugh«, sagte Tante Murid.
Cerise nickte. »Genau. Als Onkel Hugh ins Broken ging, hat er zur Sicherheit beglaubigte Abschriften sämtlicher Unterlagen mitgenommen, einschließlich Großmutters Verbannungsbefehl. Das weiß ich noch, weil Mutter geweint hat, als sie ihm das Dokument übergab.«
Richard kniff die Augen zusammen. Er war der Vorsichtigste von allen, der Vernünftigste und derjenige, der sich niemals aus der Ruhe bringen ließ. Man hätte ebenso gut versuchen können, einen Felsbrocken zu erschüttern. Die ganze Familie zollte ihm Respekt. Wenn sie ihn von ihrem Plan überzeugte, würden die anderen auch mitmachen.
»Hugh ist im Broken«, sagte Richard. »Du kannst nicht zu ihm gehen, Cerise. Jedenfalls nicht jetzt.«
»Ich gehe«, sagte Kaldar. »Ich gehe dort sowieso ein und aus.«
»Nein.« Sie packte so viel Stahl in ihre Stimme, dass alle anderen irritiert blinzelten.
Erian schien etwas sagen zu wollen, hielt aber lieber den Mund.
»Die Hand hat meine …« Cerise wollte sagen meine Eltern , riss sich aber zusammen. Wenn die anderen sie nicht einfach für hysterisch halten sollten, musste sie alles Persönliche ausklammern. »… Gustave und Genevieve nicht grundlos verschleppt. Die müssen irgendwas von ihnen oder von uns wollen. Also behalten sie uns im Auge. Deshalb müssen wir jetzt alle hier im Haupthaus zusammenziehen, damit sie uns nicht einen nach dem anderen aufs Korn nehmen.
Bis ins Broken sind es drei Tage, und das auch nur mit Abkürzungen und wenn gute Rolpies das Boot ziehen. Wer geht, läuft Gefahr, den Spionen der Hand in die Arme zu laufen.« Cerise sah Kaldar an. »Du bist ein Dieb, kein Kämpfer. Erian ist zu hitzköpfig. Tante Murid kennt den Weg nicht, Mikita kennt keine Überlebenstechniken, und du, Richard, kannst die Grenze zum Broken nicht überqueren. Deine Magie ist zu stark. Der Grenzübertritt würde dich umbringen.«
Sie betrachtete die anderen. »Bleibe nur ich übrig. Ich bin die letzten paar Male mit Kaldar gegangen, ich kenne den Weg, und ich bin diejenige von uns, die einen Kampf mit der Hand am ehesten lebend
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