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Land der Schatten - Andrews, I: Land der Schatten

Land der Schatten - Andrews, I: Land der Schatten

Titel: Land der Schatten - Andrews, I: Land der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilona Andrews
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nicht lernen. Dafür konnte jeder über zwanzig eine Armbrust abfeuern und würde keine Sekunde zögern, damit einen anderen Menschen umzubringen. Es gab keine Hoffnung im Moor. Keine Möglichkeit für ihren Haufen voranzukommen. Selbst Lagar mit seinem ganzen Geld klebte immer noch derselbe Schlamm an den Stiefeln.
    Sie dachte an ihre Großmutter, wie sie da so zart hinter ihrem Gatten stand, und seufzte. Sie hätte nicht mit Vienna tauschen mögen. Sie wollte nicht wohlhabend sein. Es würde ihr nicht viel ausmachen, ihr ganzes Leben lang niemals einen goldenen Ring zu besitzen. Sie wollte endlich einmal Licht am Ende des Tunnels sehen. Dass sie Lark auf eine Schule schicken konnten, eine richtige Schule mit richtigen Lehrern und einem Therapeuten oder Arzt, der ihr helfen konnte, weil sie allmählich nicht mehr weiterwussten. Dass die Familie genug verdiente, um alle satt zu bekommen und kleiden zu können, ohne dafür stehlen zu müssen. Dass sie nicht ständig hinter sich blicken mussten, weil sie jede Minute in einen Kampf mit einer anderen Familie verwickelt werden konnten, wie zwei Ratten, die im Morast aufeinander losgingen. Dass sie woanders leben konnten, nicht an einem Ort, an dem man ihre Eltern verschleppte und niemand etwas dagegen unternahm.
    Cerise schüttelte den Kopf. Sie würde ja noch damit leben können, wenn sie sich langsam aus dem Morast herausarbeiteten, aber sie versanken nur immer tiefer und tiefer darin. Ihre Kinder würde ihren Großvater nicht kennen, und ihre Enkel, falls sie jemals welche haben sollte, würden nicht mal mehr wissen, dass er jemals existiert hatte. All sein Wissen wäre dahin. Schon jetzt vergaß sie Sachen, da halfen auch die Bücher nicht, da sie die meiste Zeit zu müde zum Lesen war.
    Das war nicht richtig. Cerise biss die Zähne zusammen. Die ganze harte Arbeit hatte doch nur dann einen Sinn, wenn es ihren Kindern und Kindeskindern mal besser ging als ihr. Aber das würde es nicht. Sie würden sogar noch übler dran sein. Je mehr Zeit verging, je mehr Louisiana den Sumpf mit Verbannten überschwemmte, desto grausamer wurde die Lage hier.
    Sosehr sie sich auch anstrengte, so hart ihre Familie auch schuftete, sie kamen einfach nicht weiter voran. Sie rutschten immer wieder in den Morast zurück, und ihr einziger Trost dabei waren Was-wäre-wenn-Träume voller Selbstmitleid.
    Und dann gab es noch William. Sie hätte wissen müssen, dass alles im Leben einen Haken hatte. William hatte alles, was sie sich von einem Mann wünschte: Er war stark, lustig, amüsant und ein Teufel von einem Kämpfer … und er verwandelte sich in ein Ungeheuer. Gottverdammt.
    Sie nahm das Buch, in dem sie vor Williams Erscheinen gelesen hatte: Die Natur der Bestie . Ein alter Text aus Louisiana. Sie wusste, dass das Buch voreingenommen war, aber eine andere Informationsquelle stand ihr nicht zur Verfügung. Sie hatte es vor ein paar Monaten aus der Bibliothek geholt, um Lark daraus vorzulesen und die Kleine davon zu überzeugen, dass es echte Monster gab und sie nicht dazugehörte. Das sollte kein Misstrauen gegenüber Tante Murid sein, doch da es auch um Onkel Hugh ging, war ihre Tante wohl nicht ganz objektiv.
    Sie hätte nie gedacht, dass ihr Onkel Hugh ein Gestaltwandler war. Bei ihrem Leben nicht. Dann stimmten also nicht alle Geschichten. Sicher, ihr Onkel hatte jemanden ermordet, aber damit tanzte er im Moor nicht allzu sehr aus der Reihe.
    Vielleicht war William genau wie Onkel Hugh ein Wolf. Wölfe galten allgemein als edle Geschöpfe … Sie stellte das Weinglas hin. Wohin sollte das führen? Er ist eine mörderische Bestie, aber was soll’s, solange er eine edle mörderische Bestie ist?
    Armer William. Sie war bis ins Mark erschüttert, aber das war nichts im Vergleich mit dem, was er durchmachte. Er kam auf der Jagd nach seinem Feind hierher und traf im Sumpf ein Mädchen, das ihm den Kopf verdrehte. Als Nächstes erfuhr er, dass dieses Mädchen nicht ohne einen Familienclan, eine achtzig Jahre währende Fehde und eine Horde von Agenten der Hand zu haben war. Ein teuflisches Preisschild. Mit Kaldar verwandt zu sein hätte genügt, um die meisten Männer in die Flucht zu schlagen.
    Cerise spielte mit ihrem Glas. William gehörte ihr. Wie er sie ansah, wie er sie beim Tanzen gehalten hatte, sagte mehr als tausend Worte. Als sie ihn vorhin die Treppe heraufkommen sah, hatte ihr Herz schneller geschlagen, aber nicht weil sie fürchtete, er könne sie in Stücke reißen. Sie wollte

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