Land der Schatten - Andrews, I: Land der Schatten
Hand, während ein Lächeln die Falten in ihrem Gesicht vertiefte. »Na, sehen Sie mich an, da rede ich endlos dummes Zeug, muss wohl das Alter sein. Ich glaube, ich gehe nun besser zu Bett.«
Sie erhob sich. »Ich möchte Sie um einen Gefallen bitten. Ich müsste mir morgen Urows Jüngsten von Ihnen ausleihen.«
»Wenn Sie ihn keiner Gefahr aussetzen, können Sie ihn haben.«
Großmutter Az’ Gesicht teilte ein Lächeln. »Dummes Kind. Er ist mein Enkel. Ich gefährde doch nicht meine Familie.« Damit drehte sie sich um und ging hinein.
William ließ sich in den Sessel fallen.
Verrückte Alte.
Verrückte Familie.
Und wenn er dachte, er könne Cerise von hier weglocken, dann hatte er selbst einen Schaden. Die würden sie niemals ziehen lassen.
Da kletterte Lark übers Balkongeländer und ließ sich in einem der Sessel nieder. Ihr Haar war wieder mal total verfilzt.
»Schickst du mich jetzt ins Bett?«, fragte sie.
Er schüttelte den Kopf.
»Ich kann nicht schlafen.« Lark zog die Knie an. »Ich habe Angst wegen morgen. Meinst du, Cerise muss sterben?«
William verschränkte die Arme. »Alles ist möglich, aber, nein, ich glaube, sie wird leben. Ich werde da sein und mein Bestes tun, um auf sie aufzupassen.«
Sie sahen einander an.
»Was weißt du über Tobias?«, erkundigte er sich. Vielleicht würde die Kleine seine Fragen beantworten. Sonst tat das ja keiner.
»Es ist schon lange her«, antwortete Lark. »Drei Jahre oder noch länger. Viel weiß ich nicht. Aber er und Cerise waren verlobt. Er war sehr nett. Und süß.«
Alles klar. »Warum ist er gegangen?«
»Weiß ich nicht mehr so genau.« Sie zog die Stirn kraus. »Ich glaube, Mom hat mir die Haare gemacht, Großmama war auch dabei. Dann kam Cerise. Sie war echt sauer, weil irgendwelches Geld fehlte. Ich glaube, sie dachte, Tobias hätte es genommen. Mom hat ihr gesagt, dass sie ruhig bleiben und nichts unternehmen solle, das sie für den Rest ihres Lebens bereuen würde, und dass man manchmal ein Auge zudrücken und den Leuten noch eine Chance geben müsse. Großmama meinte, in den Zeiten der Legion habe schon mal einer die Todesstrafe gekriegt, wenn er seine Familie beklaut hatte. Cerise sah echt stinksauer aus, und Mom sagte, diese Zeiten der Legion seien lange vorbei. Großmutter antwortete, das sei genau das Problem im Moor, und dass es hier, wenn’s die Verbannten nicht gäbe, noch mit rechten Dingen zugehen und Cerise wissen würde, was sie zu tun hätte. Cerise ist dann abgehauen, und Mom hat mich rausgeschickt, weil sie und Großmama sich unter Erwachsenen unterhalten wollten. Tobias habe ich danach nicht mehr gesehen.«
Was für eine Geschichte. »Meinst du, sie hat ihn umgebracht?«, fragte William.
Lark biss sich auf die Lippe. »Ich weiß nicht. Ich glaube nicht. Cerise wird immer ganz ruhig, bevor sie jemanden tötet. Eiskalt. Ich glaube, sie war damals viel zu wütend.«
Sie saßen eine Weile nebeneinander und betrachteten den Mond.
Dann wandte sich Lark ihm zu. »Ich kämpfe morgen auch mit. Für meine Mom.«
William wollte ihr sagen, dass sie zu klein sei, doch er hatte in ihrem Alter auch schon gekämpft. »Aber pass auf dich auf, und mach keine Dummheiten.«
»Mache ich nicht«, versprach sie ihm.
21
Cerise hob den Kopf und blinzelte in den Morgenhimmel. Das wunderbare, intensive Türkis verhieß einen herrlichen Tag. Dumm nur, dass die Familie heute ausreiten wollte, um zu töten und zu sterben, und sie die Kolonne anführen würde.
In ihrem Gefolge saßen zwei Dutzend Mars zu Pferde. Die Kinder hatte sie vorgeschickt, um den vor ihnen liegenden Weg auszukundschaften. Sie blickte über die Schulter. Alle waren da: Richard, Kaldar, Erian, Tante Murid, Onkel Ben … Ihr Blick fiel auf William, der links neben Adriana am Rande der Kolonne ritt. Er sah sie mürrisch an. Ja, ja, ich sehe deinen mürrischen Blick, du bist eifersüchtig, Lord Bill .
Wenn ihr heute etwas zustieß, würde Richard das Kommando über die Familie übernehmen, und Tante Pete würde sich um Lark kümmern. Cerises Herz stockte. Lark würde nicht sehr gut mit Tante Pete auskommen, aber sie wusste nicht, an wen sie sich sonst hätte wenden sollen.
Großmama Az würde sicher einspringen, aber die und Gaston hatten ihre eigene Mission. Die Familie Sheerile glich einer Hydra: Die beiden Brüder würden in Sene sein, doch der Clan würde erst untergehen, wenn Kaitlin, ihre Mutter, ihren letzten Atemzug tat. Großmutter hatte beschlossen, dass es
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