Land der Schatten - Andrews, I: Land der Schatten
lang genoss er die Berührung. »Danke«, hauchte sie, dann war sie fort, klaubte Lark von der Erde und trug sie weg. William musste sich schütteln, weil die Erregung an seinem Körper zerrte, damit er ihr nachgab und die Wildheit entfesselte.
Die anderen wichen zurück und folgten Cerise, bis nur noch einer übrig war. William blickte in das bekannte Gesicht. Wilde Haare, Ohrring, dunkle Augen … Er brauchte einen Moment. Kaldar.
»Hey«, sagte der Mann.
William knurrte.
»Ganz ruhig. Ruhig. Kommen Sie mal wieder runter! Zum Kämpfen geht’s da lang.« Kaldar wies über seine Schulter. »Die bösen Jungs sind dort drüben.«
»Weiß ich.« William stapfte an ihm vorbei.
»Reden ist gut.« Kaldar ging ihm nach. »Zusammenhängende, vollständige Sätze sind sogar noch besser. Sie sind sehr schnell, Blaublütiger.«
William schob sich durchs Gebüsch. Er kochte vor Wut, brauchte Blut, musste warmes Fleisch zerreißen.
Am Haus stand Erian zwischen zwei Fenstern platt an die Wand gedrückt und zog sich grimassierend einen Bolzen aus der Schulter. Die Mars sorgten weiter für Feuerschutz, ihre Kugeln und Bolzen prasselten gegen die Fenstergitter über ihm, nur Zentimeter von Erians Kopf entfernt. Cerises Cousin ging in die Hocke und bewegte sich, mit dem Rücken gegen die Wand, langsam nach rechts. Dann erreichte er das kleine Fenster, zerschlug mit der Faust das Glas und schleuderte die Stinkbombe ins Haus.
Darauf hallte eine Woge gutturalen Geheuls durch die Baumreihe.
Der Wind trug Säuregeruch herbei, modrig, ölig, sauer, wie nach altem Erbrochenem. William stieg Galle in den Hals. Er spie aus. Zu viel. Zu viel Aufregung. Zu viel Adrenalin. Er spürte die vertraute Eiseskälte den Rücken hinunterlaufen, sämtliche Haare am Körper standen ihm zu Berge. Die ersten Anzeichen des Blutvergießens, der Kampfeswut, die seine Art überkam, wann immer der innere Druck überhandnahm.
Zähneknirschend versuchte William sich zusammenzureißen. Er würde später darauf zurückkommen müssen. Wenn es um Spider ging. Nicht jetzt, verdammt . Nicht jetzt .
»Ich setze einen Dollar, dass ich mehr erledige als Richard«, schrie Kaldar, dessen Finger ein Schwert mit breiter Klinge umklammerten.
»Die Wette hast du schon verloren«, sagte Richard.
In William brach sich bissig die Wildheit Bahn. Er spürte ihre Fänge, die weiß wie Gletschereis glänzten. Er verlor. Das Blutvergießen stand unmittelbar bevor.
Erian riss ein kurzes, gekrümmtes Messer aus der Scheide an seinem Gürtel. Ein Moment dehnte sich ins Unendliche. Noch einer …
Die Wildheit riss das Maul auf. In ihrem Schlund gähnte bodenlose Schwärze, umstellt von eisigen Fängen. Er blickte direkt hinein.
Die Wildheit schnappte nach ihm. Die Fänge durchbohrten seinen Geist. Die Wildheit verschlang ihn. Finsternis umgab ihn.
Die Welt schleppte sich nurmehr dahin, und William trat auf das Feld hinaus.
Hinter ihm schrie Kaldar, doch William achtete nicht auf ihn.
Ein Tritt erschütterte die Gitterstäbe, dann löste sich die Vergitterung und fiel klappernd zu Boden. Eine dunkelhaarige Frau sprang aus dem Fenster, machte zwei Schritte und fiel, als ein Bolzen aus ihrem Hals ragte.
Die Söldner der Sheeriles türmten aus dem Gebäude, strömten aus Türen und Fenstern und über die Lichtung. William knurrte und ging auf sie los.
Mit erhobenem Dolch stürzte sich ein Mann auf ihn, war aber zu langsam. William wich dem glänzenden Stahlbogen der Klinge aus, traf den Mann in die Achsel, riss ihn zur Seite, durchschnitt ihm die Kehle und lief weiter. Eine Frau kam von links. Mit einem genau geführten Hieb schlitzte ihr William den Bauch auf, stieg über ihre Leiche hinweg und lief weiter. Er tötete weiter und weiter, wusste, dass er erst genug haben würde, wenn er sich seines Fells entledigte und seine Zähne in lebendiges Fleisch grub. Er musste mit dem zufrieden sein, was er bekam. Ringsum tönte Stahl, gelegentlich fielen Schüsse. Auf weichen Wolfspfoten glitt er durch die von metallischem Blutgeruch schwere Luft und überwand, was sich ihm in den Weg stellte.
Die Welt verging in Schwärze und Blut.
Cerise sah William über die Freifläche laufen. Ihr Verstand benötigte eine Sekunde, um zu begreifen, und als ihr klar wurde, was da geschah, hatte er bereits, schneller als das Auge es mitbekam, sein Messer geschwungen. Leuchtend hellrotes Blut durchweichte die Erde, der Mann aus den Reihen der Sheeriles ging in die Knie, während William sich
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