Land der Schatten - Andrews, I: Land der Schatten
richtete sein Augenmerk wieder auf die Mars. Weit weg, am anderen Ende der Baumreihe, hockte Lark in einem Baum gut verborgen durch den Stamm. Sie winkte ihm zu. Er winkte zurück.
Zwischen den Bäumen kam eine Frau aus der Hocke, ihre Hand umspannte eine vertraute bronzefarbene Kugel. Eine Stinkbombe, die Lieblingswaffe des Militärs im Weird, wenn es darum ging, Versammlungen ohne Tote aufzulösen. Man schmiss so ein Ding in einen geschlossenen Raum und verfolgte anschließend, wie alles übereinander herfiel, um möglichst schnell rauszukommen. Cerise musste dafür ihr letztes Hemd gegeben haben. Aber wie sollten sie an den Fenstergittern vorbeikommen? Er warf noch einen Blick aufs Haus. Ah, dort. Ein rechteckiges Fenster, gut dreißig Zentimeter lang, fünfzehn Zentimeter breit, zu klein, um Gitter davor zu installieren.
Die Frau atmete tief durch. In einer kurzen Eruption ging flackernd ein blassgrüner Blitz von ihr aus. Offenbar schleuderte sie Defensivblitze. Allerdings keine allzu starken. So wie’s aussah, würde sie nicht lange durchhalten.
Dennoch rannte sie ins Freie, wobei ihre Magie sie umloderte wie eine Glutwand. Kugeln pfiffen und prallten von ihrem grünen Blitz ab. Das bisschen Saft, das sie aufbrachte, reichte gerade mal, um Kugeln abzulenken.
Die Frau sprintete stur geradeaus und erschauerte unter dem Kugelhagel. Guter Plan. Lauf , feuerte William sie an. Lauf , lauf !
Noch fünfundzwanzig Meter bis zum Haus. Zwanzig. Fünfzehn …
Dann gab der Boden unter ihrem linken Fuß nach. Stahlzähne blitzten. Die Frau schrie, und ihr Fuß steckte in einer riesigen Eisenfalle. Ihr Blitz flackerte und brach zusammen.
Die erste Kugel traf sie noch im Fallen in die Brust. In einem dunklen Sprühregen riss sie ihr einen Batzen Fleisch aus dem Rücken. Nummer zwei, drei und vier erwischten sie im Bauch. Die Bronzekugel entglitt ihren Fingern und rollte ins grüne Gras.
Da brach ein kleiner Körper aus dem Gebüsch und stürmte über die Lichtung. Sein dunkles Haar flatterte. Lark.
Zwischen den Bäumen schrie Cerise.
Die Kleine rannte im Zickzack wie ein verängstigtes Karnickel. Beiderseits rissen Kugeln den Grasboden auf. Ein Bolzen sirrte durch die Luft, traf das Mädchen im vollen Lauf und ragte ihr aus der Brust. Einen Augenblick lang flog Lark schwerelos mit weit offenen Augen, den Mund zu einem entsetzten O aufgerissen, das Gesicht kalkweiß, genau wie vor Jahren das Mädchen auf der Löwenzahnwiese …
Die Wildheit brüllte und bearbeitete sein Innerstes mit Klauen. Er ließ sich von seinem Ast fallen und stürmte zu ihr. Gras und Steine verschwammen. Er raste durch die Welt. Einzig beherrscht vom Tempo seines Herzschlages, rannte er, wie nur ein Wolf rennen kann. Kugeln streiften ihn wie feurige, wütende Bienen, zerfetzten seinen Schatten, stachen in seine Spur. Er hob Lark auf und lief weiter, schneller und schneller, zu schnell für die anderen, und gelangte in den Schutz der Bäume.
Erian stürmte an ihm vorbei Richtung Haus. Gesichter sprangen in sein Blickfeld, verstellten ihm den Weg. William setzte darüber hinweg, stieß sich vom nächsten Baum im Waldesinnern ab, sprang über einen umgestürzten Baumstamm, rannte durchs Gebüsch zu dem halb im Wasser eingesunkenen Zypressenhain.
Dort erkannte er, dass sie weit genug weg waren, und kam auf einem trockenen Fleckchen Erde zum Stehen. Sein Herz hämmerte in seiner Brust. In seinen Ohren rauschte das Blut.
Lark starrte ihn aus entsetzten Augen an, so wie eine Maus eine Katze anstarrte. Er riss sie hoch. Der Bolzen war direkt über dem Schlüsselbein eingedrungen, nicht in die Brust. Eine Fleischwunde. Nur eine Fleischwunde.
»Warum?«, grollte William mit kaum mehr menschlicher Stimme. Sie sagte nichts, und er schüttelte sie. »Warum?«
»Ich musste helfen. Keiner vermisst ein Monster«, hauchte sie.
»Nie wieder«, knurrte er sie an. »Hörst du? Nie wieder!«
Sie nickte zitternd.
Er fuhr herum. Leute kamen durchs Unterholz. Er legte Lark auf die Erde. Das Messer hatte er bereits in der Hand. Er roch ihren Atem, hörte ihren Puls. Ihre Furcht überschwemmte ihn, erfüllte ihn mit raubtierhaftem Frohlocken. Er schnappte in die Luft, sodass sie vor ihm zurückwichen.
»William!« Cerises Stimme durchbrach seinen Zorn. »William!«
Sie schob sich nach vorne und platschte durchs Wasser. Ihr Geruch ließ seine Sinne durchdrehen. Cerise griff nach ihm. Ihre Augen glänzten. Ihre Lippen streiften seine, und eine halbe Sekunde
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