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Land der Schatten - Andrews, I: Land der Schatten

Land der Schatten - Andrews, I: Land der Schatten

Titel: Land der Schatten - Andrews, I: Land der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilona Andrews
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sagte Vern. »Behaltet eure verdammten Hände bei euch und lehnt euch nicht über die Bordwand. Im Moor wimmelt’s von Alligatoren, die meisten sind größer als das Boot hier. Wenn sie euren Schatten auf dem Wasser sehen, springen sie ins Boot und holen euch. Und ich spring bestimmt nicht hinterher, um euch den Arsch zu retten.«
    Er ließ die Zügel knallen und schnalzte mit den Lippen. Die Rolpies tauchten unter, das Boot legte ab und glitt über das dunkle Gewässer in den Sumpf.
    William lehnte an der Kajütenwand und sah zu, wie der Sumpf an ihnen vorüberglitt. Wenn ihn gestern Morgen einer gefragt hätte, wie die Hölle aussehen mochte, hätte er wohl geantwortet, dass er das nicht wisse. Nach vierundzwanzig Stunden im Sumpf kannte er die Antwort: Die Hölle sah aus wie das Moor.
    Das Boot kroch den von dichten Baumgruppen und Schilf gesäumten Fluss hinab. In der Ferne standen Zypressen, ihre aufgeschwemmten Stämme grotesk fett, als kauerten dort alte Männer mit Bierbäuchen im Morast.
    In einer halben Stunde würde die Sonne aufgehen. Himmel und Wasser glänzten blassgrau wie eine abgewetzte Zehncentmünze.
    William atmete tief ein, prüfte die Gerüche auf der Zunge. Das laue Lüftchen, das hier als Wind galt, roch nach Algen, Fisch und Morast. Seine Sinne gewannen im Edge ihre alte Schärfe zurück. In Anbetracht des aus diesem Unflat aus Schlamm, Fäulnis und Wasser aufsteigenden Gestanks in Kombination mit der Hitze wünschte er sich, jemanden zu beißen, bloß um ein bisschen Dampf abzulassen.
    Die konstante Bewegung des Bootes zerrte zusätzlich an seinen Nerven. Wölfe waren dazu bestimmt, festen Boden unter den Füßen zu haben und nicht diese Nussschale aus Fiberglas oder woraus, zum Teufel, ihr Kahn bestand. Zu allem Überfluss schaukelte er jedes Mal, wenn eines der Rolpies Luft schnappte. Aber leider war fester Boden zurzeit nicht zu haben, die Ufer bildeten eine Suppe aus Morast und Wasser. Als sie zur Nacht anhielten und er den vermeintlich festen Boden betrat, sank er mit seinen Stiefeln bis zu den Knöcheln ein.
    Die Nacht darauf hatte er im Boot verbracht. Neben der Spaghettikönigin.
    William warf der Landstreicherin einen Blick zu. Sie saß ihm gegenüber, ein zusammengekauertes Häuflein Elend. Vermutlich wegen der Feuchtigkeit hatte sich ihr Gestank noch verschlimmert. Noch so eine Nacht, und er würde sie sich womöglich schnappen und im Fluss versenken, um die Luft zu reinigen.
    Sie bemerkte seinen Blick. Dunkle Augen bedachten ihn mit leichtem Spott.
    William beugte sich vor und deutete auf den Fluss. »Ich habe keine Ahnung, weshalb Sie sich in Spaghettisoße gewälzt haben«, begann er mit vertraulich gesenkter Stimme. »Es ist mir auch egal. Aber das Wasser da würde Ihnen nicht wehtun. Versuchen Sie es doch mal mit einem Vollbad.«
    Sie streckte ihm die Zunge raus.
    »Vielleicht, nachdem Sie sich gesäubert haben«, gab er zurück.
    Ihre Augen wurden groß, und sie starrte ihn lange an. In ihren dunklen Iriden flammte ein kleiner, irrer Funke auf. Sie hob einen Finger, leckte daran und rieb sich ein bisschen Dreck von der Stirn.
    Und was jetzt?
    Das Mädchen zeigte ihm den schmutzigen Finger, streckte ihn aus und zielte damit auf sein Gesicht.
    »Nein«, sagte William. »Böse Landstreicherin.«
    Der Finger kam immer näher.
    »Wenn Sie mich damit anfassen, breche ich ihn ab.«
    In Fahrtrichtung platschte es. Beide blickten auf den Fluss.
    Ein paar Hundert Meter vor ihnen kräuselten Wellen die Wasseroberfläche.
    Das Mädchen blinzelte.
    Da war es wieder, ein leichtes Kräuseln. Ein Auf und Ab. Etwas sauste auf das Boot zu.
    »Haie!« Das Mädchen stürzte sich auf Vern.
    Der glotzte sie nur an.
    »Haie, du Schwachkopf!« Sie deutete aufs Wasser.
    Wellen teilten die Wasseroberfläche. Eine riesige Flosse tauchte auf. Gefolgt von einer zweiten.
    Vern griff nach seinem Beutel und riss eine Granate heraus. William packte derweil das Mädchen, schleuderte sie zu Boden und warf sich schützend über sie.
    Die Granate plumpste ins Wasser. Ein Donnerschlag krachte in Williams Ohren; er spürte die Druckwelle auf der Haut, und das Boot legte sich auf die Seite.
    Er fuhr herum und sah gerade noch, wie Vern im Fluss verschwand und auf das Ufer zuhielt.
    Die Haie flitzten weiter unbeschadet auf das Boot zu. Der vorneweg schwimmende Fisch schoss aus dem Wasser und ließ seinen aus dicken Knochenplatten bestehenden Rückenpanzer aufblitzen. Das verdammte Biest war größer als das

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