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Land der Schatten - Andrews, I: Land der Schatten

Land der Schatten - Andrews, I: Land der Schatten

Titel: Land der Schatten - Andrews, I: Land der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilona Andrews
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übersteht.«
    Richard war unentschieden, sie sah das Zögern in seinen Augen. »Wir haben schon Gustave verloren, wenn wir dich jetzt auch noch verlieren, sind wir auch noch unsere beste Blitzwerferin los.«
    »Dann muss ich eben heil zurückkommen«, entgegnete Cerise. »Wir haben keine andere Wahl, Richard. Ich muss morgen aufbrechen, sobald Kaldar die Anfechtung eingereicht hat und der Gerichtstermin feststeht. Wenn dir oder sonst jemandem eine Alternative einfällt, höre ich euch gerne weiter zu.«
    Das Schweigen hielt lange an, dann redeten alle durcheinander. Nur Richard sagte nichts. Cerise blickte in seine düsteren Augen und wusste, dass sie gewonnen hatte.

 
    4
    Der Große Bayou-Trödelmarkt wurde um eine riesige Plastikkuh mit einem Strohhut auf dem Kopf aufgeschlagen. Irgendwann musste die Kuh mal schwarzweiß gewesen sein, dachte William, doch mit den Jahren hatten Regen und Wind sie zu einem einheitlichen Blassgrau ausgebleicht. Er betrachtete die Ansammlung von Buden und behelfsmäßigen Ständen, an denen alles Mögliche von Kleiderpuppen und alten, in Plastik eingeschweißten Baseballkarten bis zu Essservice und Kampfmessern feilgeboten wurde. Rechts schrie sich ein Verkäufer auf der Suche nach einem Abnehmer für seine Corvette heiser; links redete eine magere Frau in einer mit einem Samtporträt von Elvis geschmückten Bude unablässig leise auf ein Paar Papageien in einem Käfig ein. Die von der hohen Luftfeuchtigkeit aufgeweichten Vögel kuschelten sich aneinander und planten wahrscheinlich, die Frau umzubringen, sollte der Käfig jemals geöffnet werden.
    Das war also die brillante Strategie des Spiegels. William schüttelte innerlich den Kopf. Es war beinahe unmöglich, vom Weird aus ins Moor zu gelangen: Die Grenze war mit Fallen gespickt, und die Garde von Louisiana patrouillierte in dichter Folge. Deshalb hatte der Spiegel dafür gesorgt, dass er sich quasi durch die Hintertür, nämlich durch das Broken, einschleichen konnte, ausgestattet mit denkbar schlichten Instruktionen: Er sollte in die kleine Stadt Verite im schönen Bundesstaat Louisiana gehen, den Großen Bayou-Flohmarkt aufsuchen und um genau sieben Uhr neben der Plastikkuh warten. Dort würde ihn ein Führer in Empfang nehmen und ins Edge begleiten. Toller Plan. Was sollte da noch schiefgehen?
    Wenn er in den Jahren seines Militärdienstes eines gelernt hatte, dann, dass alles, was schieflaufen konnte, auch schieflief. Vor allem, wenn man bedachte, dass es sich bei seinem Führer um einen Freiberufler handelte.
    Eine Obdachlose kam heran und bezog Stellung bei den Hinterbeinen der Plastikkuh, das Gesicht von einer Schmutzschicht überzogen. Die Frau trug eine schmierige, zerrissene Armeejacke, die wohl mal einem Soldaten aus dem Broken gehört hatte. Ihre Haare steckten unter einer schwarzen Skimütze. Unter dem Jackensaum lugten schmutzige Jeans hervor, die in einem erstaunlich solide aussehenden Paar Stiefeln steckten. Ihr Geruch überschwemmte ihn förmlich. Sie roch sauer, als hätte sie sich in einem Haufen alter Spaghetti gewälzt. Soweit er wusste, wollte sie ebenfalls ins Edge, daher würde er den Geruch vergammelter Tomatensoße wohl auf dem ganzen Weg in der Nase haben. Letzten Samstag hatte er im History Channel eine Dokumentation über die Große Depression gesehen, und diese Frau hätte den Landstreichern von damals problemlos das Wasser reichen können.
    Das wurde ja immer besser. Selbst schuld, dachte William. Er könnte jetzt in seiner Hütte sitzen und eine schöne Tasse Kaffee trinken. Aber nichts da , er musste ja unbedingt den Helden spielen.
    Der Spiegel hatte ihm einen vier Tage währenden Crashkurs über das Moor, Spiders Leute und über die Funktionsweise von ungefähr tausend Gadgets verpasst, die sie ihm in seinen Rucksack gestopft hatten. Sein Gedächtnis arbeitete fast perfekt. Alle Gestaltwandlerkinder, die die Hawk’s durchliefen, mussten ihr Erinnerungsvermögen trainieren. Schließlich sollten sie Soldaten werden, die sich ihre Einsatzkarten und -ziele einprägen mussten. Aber er besaß selbst für einen Formwandler ein außerordentlich gutes Gedächtnis.
    William hatte im Broken gewohnheitsmäßig geübt, hatte sich zufällige Lesefrüchte und Beobachtungen genau eingeprägt. Alles von Waffenkatalogen bis hin zu Cartoons. Er konnte die ersten Hundert Seiten eines einmal gelesenen Taschenbuchs auswendig aufsagen. Aber die Masse an Informationen, die der Spiegel ihm eingebläut hatte, brachte

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