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Land der Schatten - Andrews, I: Land der Schatten

Land der Schatten - Andrews, I: Land der Schatten

Titel: Land der Schatten - Andrews, I: Land der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilona Andrews
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glitzernder Scherben ein Fenster. Ein Körper stürzte hindurch, und ein Junge landete halb geduckt auf dem Balkongeländer, sein unbändiges, von feuerroten Strähnen gestreiftes rostbraunes Haar leuchtete wie ein dunkler Flammenschopf. Aus einem schmalen Gesicht blickten William wilde gelbe Augen an. Der Kleine wirkte mindestens dreißig Zentimeter größer, als er ihn in Erinnerung hatte.
    »Jack!«, hörte er Roses Stimme rufen.
    Jacks Augen schlugen ungezähmte Funken. Er fauchte und sprang vom Balkon, verwandelte sich mitten im Sprung und zerfetzte seine Kleider. Im grünen Gras landete ein gefleckter, ausgewachsener Luchs und stürmte los Richtung Bäume.
    Im Edge würde er das unmöglich abziehen können, überlegte William. Dort dauerte es ein paar Sekunden, die Gestalt zu wandeln, im Weird jedoch, wo die Magie sich voll entfaltete, konnte man sich in null Komma nichts schmerzfrei in Fell hüllen. Jack wühlte sich rasch aus seinen Kleidern. Kein Zögern, keine Ungeschicklichkeit. Der Kleine hatte offenbar Übung darin, seine Klamotten gegen Fell zu tauschen. »Jack!« Rose kam auf den Balkon gelaufen. Sie trug ein pfirsichfarbenes Kleid und hatte sich die Haare hochgesteckt. »Jack, warte! Verflucht!«
    Dann sah sie die Besucher unten. Und machte Augen.
    »Ich will zu Declan«, teilte William ihr mit.
    Zwei Minuten später saß er in Declans Arbeitszimmer. Gaston war bei Rose geblieben, die ihn in die Küche mitgenommen hatte. Dort futterte der Junge wie ein Scheunendrescher.
    Declan saß hinter seinem Schreibtisch und sah ihn an. Er hatte sich kein bisschen verändert: dieselben harten Augen, dasselbe blonde Haar. Allerdings ließ er es wieder wachsen wie alle paar Jahre. Es diente als Kraftquelle, falls er einen Teil seines Selbst den Zauberkräften opfern musste. Declan sah ganz so aus, als könne er mit bloßen Händen Wände zerschmettern. Und seinem Blick nach zu urteilen, hätte er momentan nichts dagegen einzuwenden gehabt, eine Backsteinmauer mit der Faust zu traktieren.
    Declan musterte ihn. »Geht’s gut?«
    »Ja.«
    »Siehst ein bisschen dünn aus, wie du da sitzt. Meine Mutter sucht immer nach einer neuen Diät. Vielleicht könnt ihr euch mal austauschen.«
    William bleckte die Zähne. »Ja. Und müsstest du nicht inzwischen fett geworden sein? Sind das da Speckröllchen an deinen Seiten?«
    »Leck mich.«
    Sie blickten einander an.
    »Zwei verdammte Jahre.« Declan spreizte die Hände. »Zwei verdammte Jahre ist es her, dass du ohne ein Wort verschwunden bist. Also, was kann das Büro des Marschalls für dich tun?«
    William entspannte seinen mahlenden Kiefer. Was er zu sagen hatte, brachte ihn fast um. »Ich brauche Hilfe.«
    Declan nickte. »Schieß los.«
    Eine halbe Stunde später war William fertig. Es hätte nicht so lange dauern müssen, aber schon nach zwei Minuten erwähnte er Nancy Virai; Declan wurde blass und nahm eine große, quadratische Flasche Southern Bourbon aus einem Schränkchen. Die Flasche war inzwischen halb leer. »Damit ich das richtig verstehe.« Declan beugte sich vor. »Du hast das Journal.«
    »Nicht dabei.«
    Declan verdrehte die Augen. »Ein bisschen mehr Vertrauen, bitte. Du hast es also?«
    »Ja.«
    »So wie’s aussieht, ist der Vater von deinem Mädchen noch in Kasis. Und sobald Spiders restliche Lakaien ihrem Stützpunkt Bericht erstattet haben, wird die Hand sie suchen und ihn dabei als Druckmittel einsetzen. Du willst sie retten, aber sie hat dich verlassen. Und wenn du dem Spiegel das Journal nicht aushändigst, wird man dir bei lebendigem Leib das Fell über die Ohren ziehen. Du willst das Mädchen und was von seiner Familie noch übrig ist aus dem Moor rausschaffen, aber über die Grenze zum Broken geht das nicht, weil diese Leute über zu viel Magie verfügen. Hab ich dich da richtig verstanden?«
    »Ja, so in etwa.«
    Declans Blondschopf nickte, er nahm noch einen Schluck Bourbon. »Dafür musst du mir einen Gefallen tun.«
    Na klar. »Der wäre?«
    »Jack. Er ist ein guter Junge, aber … er braucht Führung. Er braucht jemanden, der ihn versteht, aber ich kann das nicht sein, weil ich keine Ahnung habe, was in seinem Kopf vorgeht.«
    William nickte. »Gut. Ich helfe dir mit Jack. Hätte ich sowieso getan.«
    »Ich weiß, aber du hasst es, irgendwem was schuldig zu sein. Auf diese Weise sind wir quitt.«
    Declan zog eine Kupferkugel von der Schreibtischecke zu sich heran und schlug drauf. Die Kugel brach mitten durch, die beiden Hälften fielen

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