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Land der Schatten - Andrews, I: Land der Schatten

Land der Schatten - Andrews, I: Land der Schatten

Titel: Land der Schatten - Andrews, I: Land der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilona Andrews
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gelangten sie in ein trübe beleuchtetes Zimmer und legten Urow auf einen Stapel Steppdecken.
    Urows Frau beugte sich über ihren Mann. Die Schwellung war nur noch einen Zentimeter von seinem Hals entfernt. »Mart! Kräuter!«
    Der Junge flitzte in die Küche.
    Urows Frau ging in die Knie, öffnete einen großen Kasten und entnahm ihm ein in Plastik eingeschweißtes Skalpell. »Cerise, den Tubus für den Luftröhrenschnitt!«
    Cerise riss einen zweiten Plastikbeutel auf.
    Die Rothaarige bekreuzigte sich und schlitzte ihrem Mann mit dem Skalpell den Hals auf.
    William flüchtete nach draußen.
    William stand auf dem Bootssteg und betrachtete Hundertschaften von Würmern, die an den Wurzeln der Zypressen entlang nach oben krochen. Die Würmer leuchteten in Pastellfarben: Türkis, Lavendel, helles Zitronengelb. Der komplette Teich war in ein unheimliches Glühen gehüllt. Er hatte mal in einer Bar etwas aus LED -Gläsern getrunken, die aufleuchteten, wenn man gegen den Boden schnippte. Der Effekt war verblüffend ähnlich.
    Er wartete nun schon seit mindestens zwei Stunden auf dem Bootssteg. Zuerst hatte er durch die Wände von drinnen noch strenge Anweisungen mitbekommen, dann hatte er sich von Zauberkräften gestreift gefühlt. Doch nun war alles ruhig. Er hätte nicht zu sagen vermocht, ob der graue Mann überlebt hatte. Doch William hoffte darauf. Der graue Mann hatte Kinder, und Kinder brauchten ihren Vater.
    Er selbst hatte keinen Vater. Er würde seinen Erzeuger niemals finden, selbst wenn er nach ihm fahnden sollte, was er jedoch nicht vorhatte. Einige Gestaltwandler auf der Hawk’s hatten davon gesprochen, nach ihren Eltern zu suchen. William sah darin keinen Sinn. Warum? Mit zwölf war er in das Archiv der Akademie eingebrochen und hatte sich die Akten angesehen. Sein Vater war bei seiner Geburt nicht mal in der Nähe gewesen. Und seine Mutter hatte ihn weggegeben, kaum dass sie nach der Niederkunft wieder laufen konnte. So war das eben in Adrianglia: Man stellte besser keine Fragen. Wenn eine Frau einen Gestaltwandler zur Welt brachte, konnte sie das Kind weggeben, und niemand stellte Fragen. Der Staat übernahm die Verantwortung für den Nachwuchs, steckte ihn in die Hawk’s Akademie und machte ein Monster aus ihm.
    Für den Einbruch war er übrigens ausgepeitscht worden. Aber das war’s ihm wert gewesen. Vorher hatte er sich immer gefragt, ob es überhaupt eine Familie für ihn gab. Danach wusste er Bescheid. Niemand wollte ihn. Niemand wartete auf ihn. Er war allein.
    Schritte näherten sich. William straffte sich. Die Tür flog auf, Urows Frau kam heraus und lehnte sich neben ihm an das Geländer.
    Aus der Nähe betrachtet war sie längst nicht so hübsch, wie das Bild glauben machen wollte. Die Haut spannte sich zu straff über den scharfen Gesichtszügen und ihrem knochigen Schädel. Sie erinnerte ihn an eine verhärmte Füchsin, die von ihren Kleinen in den Wahnsinn getrieben wurde.
    Cerise war wesentlich hübscher.
    »Ich war vorhin ein bisschen kurz angebunden«, begann sie. »War nicht so gemeint.«
    »Kommt Ihr Mann durch?«
    »Das Schlimmste ist überstanden. Er schläft jetzt. Die Schwellung ist zurückgegangen, und wir haben den Tubus entfernt.«
    »Gut«, entgegnete William, um etwas zu sagen.
    Urows Frau schluckte. »Cerise meinte, Sie hätten meinem Mann das Leben gerettet. Unsere Familie steht in Ihrer Schuld.«
    Worauf wollte sie hinaus … Ah, ja, die Leine, erinnerte sich William. »Ich habe auf die Leine gezielt und getroffen. Sie schulden mir gar nichts.«
    Die Frau straffte sich. In ihren Augen loderte ein Funken Stolz. »Doch, das tun wir. Und wir bezahlen unsere Schulden. Man nennt Sie William?«
    »Ja.«
    »Ich heiße Clara und werde es wiedergutmachen, William. Morgen früh bringen meine Söhne Sie mit unserem schnellsten Rolpie und unserem besten Boot in die Stadt zurück.«
    »Das geht nicht.«
    Sie nickte. »Ja, Cerise sagte, sie hat Sie ins Haupthaus eingeladen. Gehen Sie nicht.«
    Das war ja mal interessant. »Wieso nicht?«
    Clara seufzte. »Cerise ist ein schönes Mädchen. Eine schöne Frau, sollte ich wohl besser sagen, sie ist ja schon vierundzwanzig. Hinreißend. Aber Sie müssen etwas über Cerise wissen: Sie ist eine Mar. Und für Mars steht immer die Familie an erster Stelle.«
    »Sie sind auch eine Mar.«
    Sie nickte. »Ja. Und für mich steht die Familie ebenfalls an erster Stelle. Sie behandelt meinen Mann wie einen von ihnen. Nicht jeder Clan würde einen

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