Land der Schatten - Andrews, I: Land der Schatten
weißen Mauern umringte Stadt mit Gärten und aus Stein gemeißelten weißen Türmen. »Das ist eine Standardstadt, gewissermaßen die Ausgangssituation. Dort läuft alles in geregelten Bahnen. Es gibt genug zu essen, das Wetter ist freundlich, und die Zivilisation gedeiht.«
Georgie betrachtete die Stadt minutenlang: In den Gartenanlagen hielten winzige Füchse in weißen Gewändern Vorlesungen, schlenderten über den Marktplatz oder tanzten zwischen den Häusern, während zwei andere Füchse auf seltsam geformten Musikinstrumenten spielten.
Declan drückte eine andere Taste.
»Siehst du das Zeichen?« Er deutete auf zwei liegende Kringel in einem kleinen Fenster. »Ich habe gerade ihre Lebensdauer auf unendlich eingestellt. Jetzt sind sie unsterblich. Natürlich können sie sich noch gegenseitig umbringen, aber es gibt keine natürlichen Todesursachen mehr. Außerdem habe ich das Tempo ein bisschen beschleunigt, damit wir uns nicht die ganze Nacht ein einziges Szenario anschauen müssen. Diese Stadt ist jetzt in der Wunschwelt gespeichert. Wenn du zu ihr zurückgehen willst, musst du nur die Taste hier drücken, und deine Welt wird neu gestartet.«
In den ersten Minuten geschah überhaupt nichts. Dann begann die Stadt zu wachsen. Sie verdrängte die Felder, dehnte sich aus, wucherte und wuchs höher und höher. Nach zwanzig Minuten hatte die Stadt die gesamte Kuppel verschluckt. Straßen wichen Tunnels, Türme wurden zu Wolkenkratzern, die Bewohner stolperten durch überfüllte Straßen. Die Stadt war nun schmutzig und düster, die Gebäude baufällig.
»Was ist passiert?«, flüsterte Georgie.
»Überbevölkerung. Es gibt jetzt zu viele Bewohner, aber zu wenig Nahrungsmittel und Platz. Die Alten sterben nicht mehr, gleichzeitig kommen immer mehr Kinder zur Welt.«
Nach dreißig Minuten brachen immer mehr Wesen auf der Straße zusammen, krochen durch den Dreck und suchten nach Essensresten. Declan streckte die Hand aus und wollte neu starten.
»Nein, ich will zusehen«, rief George.
»Das ist aber kein schöner Anblick.«
»Egal.«
Declan ließ die Simulation laufen.
Brände brachen aus. Die Wesen bildeten Banden und fingen an, einander in Stücke zu reißen und an den ausgerissenen Gliedmaßen ihrer Opfer zu nagen.
George wich strauchelnd von der Kuppel zurück und schloss die Augen.
»Ist dir nicht gut?«, fragte Declan.
Georgie schüttelte den Kopf. Sie fraßen sich gegenseitig auf. Die kleinen Füchse fraßen sich gegenseitig auf.
»Dann machen wir mit dem zweiten Durchgang weiter.«
Georgie bekam gerade noch mit, wie die Dunkelheit in der Kuppel rotierte. Dann tauchte die vollkommene kleine Stadt wieder auf.
Fünf Minuten später begann einer der Füchse zu husten. Der Husten breitete sich aus, steckte zuerst die Nachbarn an und schließlich die gesamte Stadtbevölkerung.
»Die Pest«, erklärte Declan. »Sie sind krank, können jedoch nicht sterben. Aber manchmal kann nur der Tod eine Seuche aufhalten. Die Krankheit bringt sie nicht um, aber Heilung gibt es auch nicht.«
Sie beobachteten, wie die Füchse elend hustend durch die Finsternis schlurften. Und als sie nach und nach vor Erschöpfung zusammenbrachen, bat Georgie ihn, die Kuppel neu zu starten.
Der dritte Versuch verlief in den ersten zehn Minuten ganz gut, und Georgie sah hoffnungsvoll zu, bis eine Gruppe älterer Füchse sich daranmachte, den Neubau mit Stöcken zu zertrümmern.
»Warum machen die das?«, fragte Georgie.
»Weil sie nicht wollen, dass ihre Stadt sich verändert«, antwortete Declan. »Sie haben begriffen, dass ihnen der Platz ausgeht, wenn sie ständig weiterwachsen.«
Fünf Minuten später wurden einige Füchse in Ketten gelegt, dann mussten sie zum See marschieren, wo sie ins Wasser getrieben wurden.
»Wieso?«, flüsterte Georgie, während er sie ertrinken sah.
»Das sind wahrscheinlich die, die ihre Stadt weiter vergrößern wollten. Aber die anderen sind wohl übereingekommen, dass die Bevölkerungszahl gleich bleiben soll. Da die Stadt nur eine bestimmte Menge Füchse ernähren kann, haben sie entschieden, das Problem auf diese Weise zu lösen.«
»Aber …« Georgie biss ich auf die Lippe, als ein Fuchsbaby nach dem anderen ins Wasser geworfen wurde. Er hatte genug, marschierte zur Kontrolltafel und schlug auf die Reset-Taste.
Declan straffte sich. »Ich gehe jetzt ins Haus. Du weißt ja, wie du wieder zur Ausgangssituation zurückkehren kannst. Der Zauber hält vermutlich noch die ganze Nacht, aber
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