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Land der Schatten - Andrews, I: Land der Schatten

Land der Schatten - Andrews, I: Land der Schatten

Titel: Land der Schatten - Andrews, I: Land der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilona Andrews
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selbstgefälliges Grinsen, das verkündete: »Ich bin ja so viel schlauer als du, Schlampe.«
    Aber er traf sie nicht hart genug. Sein Plan bestand darin, sie außer Gefecht zu setzen und bei der Simoen-Familie abzuliefern. Die Simoens waren notorische Opportunisten, die jede Gelegenheit, ein größeres Stück vom Kuchen zu ergattern, beim Schopf packten. Rose fand später heraus, dass Frank Simoen, das Familienoberhaupt, Brad zehn Mille versprochen hatte, wenn er ihnen Rose brachte. Zehn Mille. Ein Vermögen für jeden Edger. Sie hatten sie mit Frank Simoens Sohn Rob verkuppeln wollen, damit auch Robs Kinderchen eines Tages weiße Blitze schleudern konnten.
    Brad hatte sich echt Mühe gegeben, doch Rose zuckte im letzten Moment zurück, der Knüppel verfehlte sein Ziel und schürfte lediglich die Haut an ihrer Stirn ab. Sie stand da, schockstarr, mit vor Schmerzen brummendem Schädel, Blut sickerte ihr in die Augen. Als Brad Dillon erneut mit seinem Knüppel ausholte, um die Sache zu Ende zu bringen, erfuhr er am eigenen Leib, wie sengend heiß ihre Blitze sein konnten. Sie wollte ihm nicht wehtun, tat es aber doch. Und als er sich zu ihren Füßen am Boden krümmte, heulte sie und heulte, weil ihr in diesem Augenblick klar wurde, dass ihr Leben nie wieder so sein würde wie früher.
    Danach ging sie sechs Monate durch die Hölle. Die Edger-Clans verfolgten sie rachsüchtig, manche wollten sie aus Eigennutz erwischen, andere, um sie an den Meistbietenden zu verkaufen. Zuerst versteckte sie sich, dann schlug sie zurück. Klar, sie hatte bloß eine Waffe, gegen die jedoch kein Kraut gewachsen war. Es stand fest, dass sie früher oder später jemanden umbringen würde, und als sie einen Landstreicher grillte, der sie entführen sollte, begriffen die Edger, dass mit ihr nicht gut Kirschen essen war, und ließen sie in Ruhe. Kurz danach starb ihr Großvater, ihr Vater brütete seinen jüngsten todsicheren Coup aus und verschwand, machte sich vom Acker wie ein Dieb in der Nacht. Ihr blieb nur eine Nachricht, in der er über irgendeinen Schatz schwadronierte und darüber, dass sie bei seiner Rückkehr alle steinreich sein würden.
    Seitdem waren vier Jahre vergangen. Ihre Träume hatten sich still verabschiedet. Den Lebensunterhalt verdiente sie wie die meisten Edger: Sie hatte einen Job im Broken, für den unter der Hand ausgezahlten Mindestlohn. Sie putzte Büroräume und verdiente damit gerade so viel, dass sie sich Essen und Kleidung leisten konnte sowie ein paar Sachen, die sie veräußerte, wenn die Karawanen aus dem Weird kamen, um Pepsi, Plastik und Klamotten gegen Zauberprodukte zu tauschen. Eine gute, ehrliche Arbeit, die für das Huhn im Topf sorgte und für die sie sich fast umbrachte.
    Sie schaute hinaus, wo die Jungen im Gras lagen und in den Abendhimmel blickten. Wenigstens waren ihre Eltern bei der Geburt der Brüder so geistesgegenwärtig gewesen, Georgie in einem Krankenhaus in der Stadt zu entbinden und für Jack eine Hebamme aus dem Broken zu bezahlen, damit auch Jack das Licht der Welt legal erblickte. Beide Jungen besaßen Geburtsurkunden aus dem Broken und Sozialversicherungsnummern. Sie jedoch war im Edge geboren. Ihr Führerschein war gefälscht, und ihre Eltern mussten damals ein kleines Vermögen für den Direktor ihrer Highschool abzweigen, weil ihre Sozialversicherungsnummer jemand anders gehörte.
    Wenigstens die Jungen lebten legal. Und sie würde sie niemals im Stich lassen, so wie ihr Vater sie im Stich gelassen hatte. Wenn es sein musste, würde sie verhungern, aber die beiden sollten unbedingt im Broken zur Schule gehen. Das war das Tolle dort: Mit Köpfchen und aus eigenem Antrieb konnte man es zu etwas bringen – ohne auf Magie zurückgreifen zu müssen. Wenn die Jungen größer waren, würden ihnen mehr Wege offenstehen als ihr.
    Dennoch war sie noch nicht bereit, ihre Träume zu den Akten zu legen. Sie würde schon noch einen Weg finden, ihr Leben vollständig auszuschöpfen. Da war sie sich ganz sicher. Allerdings wusste sie noch nicht, wie sie das anstellen sollte.

 
    4
    Der Wecker schrillte um zehn vor sechs. Rose stand auf und absolvierte ihr Morgenritual: Kaffee kochen, Pausenbrote schmieren, ihre Blitzblank-Uniform anziehen. Kaum hatte sie an ihrem ersten Morgenkaffee genippt, kam Georgie, noch mit Schlaf in den Augen und zerrauften Haaren, aus seinem Zimmer geschlurft. Er schlenderte zum Fenster und gähnte.
    »Willst du Mini-Wheats?«, fragte sie.
    Er antwortete

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