Land der Schatten - Andrews, I: Land der Schatten
ihm los. Was er ihr hatte sagen wollen, war klar: Selbst sie wusste, dass er sich, um diese Bestien herbeizuzitieren, ihren raffgierigen Zauberkräften hätte öffnen müssen. Die ihr jetzt noch anhafteten und wie Gewürm in sie einzudringen versuchten. Jeder, der sich diesen Bestien oder ihrem Ursprung längere Zeit aussetzte, würde danach für alle Zeiten besudelt sein. Aber im Innern des Blaublütigen hatte sie keine Spur ihrer Miasmen entdeckt. Er war sauber.
Der Blaublütige hob die Hände, als wollte er eine Reaktion von ihr.
»Ich hab’s begriffen«, räumte sie ein. »Sie haben sie nicht hergeholt. Aber Sie haben so mit Ihrer Bildung angegeben, dass Sie wahrscheinlich wissen, worum es sich bei diesen Biestern handelt. Also, was sind sie, und was wollen sie hier?«
Er blickte einen Moment gedankenverloren. »Ich habe keine Ahnung«, sagte er dann. »Fürs Erste nenne ich sie Bluthunde.«
Toll. Fantastisch.
»Ich weiß, dass sie Jack töten wollten«, fuhr er fort. »Aber ich glaube nicht, dass es ihnen speziell um Jack ging. Sie wären vermutlich auf jeden hier losgegangen. Ihre Magie ist …«
»… anhänglich.«
Der Blaublütige nickte. »Sie strebt nach Assimilation. Und sie ist sehr gefährlich.«
»Na, vielen Dank, Prinz Unverzagt.«
»Und deshalb bleibe ich heute Nacht hier«, sagte er.
Rose blinzelte. »Wie bitte?«
»Ich bin nicht den langen Weg hergekommen, um dabei zuzuschauen, wie meine zukünftige Braut von einer Anomalie verschlungen wird. Sie sind zu schlecht gerüstet, um es mit dieser Bedrohung aufzunehmen. Wenn Ihre Empfindlichkeit meine Gegenwart in Ihrem Haus nicht zulässt, dann bleibe ich eben hier draußen.« Er deutete auf die Veranda.
»Nein!«
»Doch.« Er kehrte ihr den Rücken zu, betrat die Veranda und ließ sich auf den Stufen nieder.
»Ich will, dass Sie verschwinden.«
»Ich fürchte, das ist nicht möglich. Schauen Sie, ich habe Ihren Brüdern versprochen, dass ich heute Nacht auf sie aufpasse, und ich werde mein Versprechen nicht zurücknehmen. Es ist Ihr gutes Recht, mich nicht ins Haus zu bitten, aber eine Decke könnten Sie mir schon geben. Sozusagen aus Nächstenliebe.«
Rose hätte am liebsten mit dem Fuß aufgestampft, andererseits wollte sie ihn nicht wissen lassen, wie sehr sie sich über ihn ärgerte. »Es ist unnötig, dass Sie bleiben«, sagte sie. »Hinter den Wehren kann uns nichts passieren.«
»Da bin ich mir nicht so sicher.«
»Sehen Sie, ich weiß Ihre guten Absichten durchaus zu schätzen, trotzdem will ich, dass Sie verschwinden. Sofort.«
Er schenkte ihr keine Beachtung.
Rose sah sich nach dem Haus um und entdeckte hinter den Fliegengittern zwei kleine Gesichter. Na, toll. Und was jetzt? Edelmann hin oder her, immerhin hatte er Jack das Leben gerettet. Er hatte geschworen, ihnen kein Leid zuzufügen, und Blitze nach einem Mann zu schleudern, der nichts gegen sie unternahm, verstieß gegen ihre Grundüberzeugungen.
Aber der Mann konnte nicht wirklich darauf aus sein, sie zu beschützen. Das wäre … edel . Fast hätte sie laut aufgelacht.
Die Erschöpfung kam über sie, als hätte ihr jemand eine feuchte Decke über den Kopf geworfen. Hinter ihr lag ein fürchterlicher Tag, und ihre Kraft reichte nicht aus, um sich noch länger mit dem Kerl herumzustreiten.
»Also gut. Machen Sie es sich auf der Veranda bequem.«
Rose ging hinein, und ließ krachend die Tür ins Schloss fallen. Die Jungen starrten sie an. »Wenn er reinkommen will, knallt ihn ab«, sagte sie und marschierte Richtung Dusche.
Die einfachen Annehmlichkeiten sind häufig die schönsten, und es geht doch nichts über eine Dusche nach getaner Arbeit. Nachdem sie den ganzen Tag lang Aufnehmer ausgewrungen und Büroschalter und -wände abgeschrubbt hatte, schrubbte Rose sich nun selbst gründlich mit Irish Spring und einem Kunstschwamm ab. Sie brauchte zehn Minuten, um den Tag in Shampoo und Duschgel zu ertränken, und als sie aus der Dusche kam, frische Klamotten anzog und ihre nassen Haare bürstete, fühlte sie sich schon fast wieder wie ein Mensch.
Ihre Entrüstung über den Eindringling wich unter dem Wasserstrahl allmählich Verdruss. Der Blaublütige hatte Jack gerettet. Anschließend war er bei den Kindern geblieben, weil sie sich fürchteten, und hatte ihnen sogar Essen gemacht – und sie behandelte ihn wie den letzten Dreck. Jetzt plagte sie deswegen ein schlechtes Gewissen. Du spinnst doch, sagte sie sich. Der Mann wollte sie zur Heirat zwingen. Alles andere
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