Land der Schatten - Andrews, I: Land der Schatten
kleinen Hähnchenbraterei, wo jeden Morgen ein Lastwagen hielt und Tagelöhner mitnahm, die ihr Geld bar auf die Hand bekamen. Sie passierte die Stelle jeden Tag auf dem Weg zur Arbeit: nur Männer. Die meisten von ihnen Lateinamerikaner, die sich auf Spanisch unterhielten. Vor ihrem letzten Job hatte sie sich sogar mal zu ihnen in die Schlange gestellt, aber der Lastwagenfahrer hatte gemeint, sie würden keine Frauen einstellen. Sie wollten Männer, die Unterholz roden und beim Bau mit anpacken konnten.
Emerson hatte sie nur deshalb genommen, weil er und ihr Vater in ihrer Jugend mal Kumpels gewesen waren. Aber jetzt, wo Dad weg war …
Sie besaß noch die Golddublone. Die Neuigkeit von ihrer Entlassung hatte sich inzwischen sicher herumgesprochen, und Max Taylor wusste längst, dass ihr der Hintern auf Grundeis ging. Jetzt würde er ihr sicher etwas extra berechnen, bevor er die Dublone gegen Bargeld einwechselte. Da mochte sie bei Peter im Parallel Universe mehr Glück haben. Er nahm zwar auch horrende Gebühren, aber dafür feilschte er nicht und versuchte auch nicht, einen über den Tisch zu ziehen. Die Dublone würde genug Geld für ein paar Wochen einbringen. Sie musste sich nur das Benzingeld borgen, in die Stadt fahren und darauf setzen, dass sie mit einem von beiden ins Geschäft kam.
Und dann?
Vielleicht sollte sie einfach weggehen. Die Kinder nehmen und sich mit dem Erlös aus Declans Goldmünze auf und davon machen. Das Edge war schmal, aber lang: Es folgte der Nahtstelle der beiden Welten wie ein Band. Es gab andere, größere Siedlungen als East Laporte. Dort musste es Arbeit geben. Andererseits besaß sie hier wenigstens das Haus, woanders würde sie Miete zahlen müssen …
Das Geräusch sich nähernder Schritte riss sie aus ihren Gedanken. Ein langbeiniger, schlaksiger Mann kam den Fußweg herauf. Die Sonnenstrahlen spielten in seinem roten Schopf. Irgendwoher kannte sie dieses Rot: Rob Simoen. Sein Vater hatte Brad vor Jahren beauftragt, sie zu entführen, damit sie Rob heiraten und den Simoens einen Wurf mächtiger Kinder in die Wiege legen konnte.
Er besaß ein bisschen Macht. Seine Blitze waren grün, für einen Edger gar nicht mal so übel. Er war drei Jahre älter als sie und recht gut betucht. Sonst war er ein Arschloch erster Güte.
»Hi Rose«, grüßte er.
Sie sah ihn nur an.
»Ich habe gehört, du bist deinen Job los.«
Na, das ging ja ratzfatz. »Hat dich die Schadenfreude hergetrieben?«
Er lächelte. »Ja, ein bisschen. Schon gehört? Wir haben bei Simoen Chevrolet eine neue Putzkolonne. Unsere Büros sind jetzt blitzblank .«
Rose blinzelte, als der Groschen fiel. »Dein Dad hat Emerson für meinen Rausschmiss bezahlt.«
»So was in der Art.«
Sie runzelte die Stirn. »Das ist jetzt vier Jahre her. Was kümmert’s dich da überhaupt noch, was ich mache?«
»Wie man so hört, hast du ’nen Stecher, der gut mit seinen Fäusten umgehen kann. Aber Handlungen haben Konsequenzen, Rose. Sieh mal, Brad arbeitet für uns. Meistens als Hiwi, aber wir fühlen uns für unsere Leute verantwortlich.«
»Wie nett von euch.« Sie hatte gewusst, dass Brads Knockout auf sie zurückfallen würde, aber es war schneller gegangen als erwartet. Sie hatten sie getroffen, wo es ihr am meisten wehtat. Magie griff nach ihr. Schade, dass Rob zu schlau war, um sie ernsthaft anzugehen.
»Brad zusammenzuschlagen war keine gute Idee.«
»Ich wollte nicht, dass er zusammengeschlagen wird. Das hat sich Brad ganz allein zuzuschreiben. Aber was nutzt er dir überhaupt? Außer als Schläger taugt er doch eh nicht viel …« Rose versuchte gar nicht erst, ihre Zunge im Zaum zu halten. »Du benutzt ihn als Vollstrecker, stimmt’s? Um deine nicht abbezahlten Karren wiederzubeschaffen. Ich habe gesehen, wie er mit dem Handy telefonierte, nachdem er den Arsch vollgekriegt hatte. Hat er da dich angerufen? Und, war seine Stimme ein bisschen undeutlich? Als ich deinen kostbaren Vollstrecker zuletzt gesehen habe, lag er nämlich gerade auf dem Bürgersteig, krümmte sich in seiner eigenen Kotze und flennte nach seiner Mama. Wahrscheinlich konnte er gerade wieder sprechen, als er zu seinem Handy gegriffen hat.« Sie lachte. »Oh, das hat deinem Alten bestimmt nicht gefallen, was?«
Robs zuckersüßer Gesichtsausdruck verschwand. »Scheiß drauf. Reden wir lieber von dir. Wie willst du eigentlich in Zukunft deine beiden Bastardbrüder durchfüttern?«
»Geht dich nichts an.«
»Weißt du …« Rob legte die
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