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Land der Schatten - Andrews, I: Land der Schatten

Land der Schatten - Andrews, I: Land der Schatten

Titel: Land der Schatten - Andrews, I: Land der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilona Andrews
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aus dem Haus !«

 
    16
    Éléonore wiegte Georgie. Er lag schlaff da, seine Haut fühlte sich kalt und klamm an. Sein Puls flatterte unter ihren Fingerspitzen wie ein sterbender Schmetterling. Wieder und wieder versuchte sie, zu ihm durchzudringen, aber er war ihr weit außerhalb ihres Machtbereichs entglitten. Unter ihr bebte und knackte das Haus, lärmte von berstendem Holz und unter mächtigen Stößen, aber das alles interessierte sie nicht. Sie konzentrierte sich auf ihr raues Flüstern, legte jedes Jota Kraft in ihre Worte: »Komm schon, mein Schatz, komm zu mir zurück. Komm zurück zu deiner grandmère . Du willst mich doch nicht allein lassen, oder?«
    Sie spürte nur Dunkelheit.
    »Komm zu mir zurück, Baby.«
    Ihre Magie durchflutete sie. Ein mattes Leuchten breitete sich von ihrem Gesicht bis in ihre Fingerspitzen aus. Éléonore verwandelte sich in der Finsternis des Dachbodens und in der Schwärze, die Georgie verschlungen hatte, in ein Leuchtfeuer.
    »Komm zu mir zurück.«
    Sie war so damit beschäftigt, ihn zu finden, dass sie erst nach Sekunden die völlige Stille bemerkte, die inzwischen herrschte.
    Die Falltür bebte. Irgendjemand oder irgendetwas hatte von unten das Zugseil gepackt und ruckte daran. Éléonore begann lautlos zu psalmodieren, um die Magie um sich zusammenzuziehen. Blitze schleudern, wie Rose, konnte sie nicht, aber sie verfügte über die alte Magie. Sie würde bestimmt nicht zusammenklappen und sich kampflos in Stücke reißen lassen.
    Der nächste Ruck riss den Riegel aus dem Holz, und die Leiter fiel.
    Die Magie umtoste sie wie ein tödlicher Wolkenwirbel. Heimtückische Schlieren schossen durch das Leuchten, kreisten um sie wie rasende Bänder. Der Zauber würde ihr als Lohn für seine Dienste das Leben nehmen, doch ihr blieb nichts anderes übrig. Sie würde alles tun, damit Georgie ein paar Minuten mehr bekam.
    Es juckte sie in den Fingerspitzen, ihre Magie endlich zu entfesseln.
    »Ich bin’s! Declan!«, rief eine Männerstimme. »Ich komme hoch!«
    Éléonore sah, wie sich der blonde Schopf durch die Bodenluke schob. Sein Gesicht war silbrig besprenkelt.
    Die Todesmagie verebbte, zurück blieb nur der dringende Wunsch, Georgie zu retten.
    »Rasch«, rief Declan.
    »Er erlischt!« Sie schob Georgie in seine Richtung. Declan packte den Körper und verschwand mit ihm nach unten. Éléonore kletterte hinterher.
    Declan eilte durchs Haus, sie folgte ihm, stieg über Bestienkadaver und zerschmetterte Möbel hinweg. Declan räumte mit dem Unterarm den Küchentisch frei, fegte Besteck und Geschirr auf den Fußboden und legte Georgie anschließend auf der freien Fläche ab. Rasch schob er das Augenlid des Jungen hoch und legte einen schmalen, blauen Ring um eine stark erweiterte Pupille frei.
    »Ich brauche eine Kerze«, sagte er.
    Éléonore drehte sich um, schlitterte durch die Blutlache auf dem Küchenboden und griff nach einer Kerze und einer Schachtel Streichhölzer. Dann zündete sie die Kerze mit zittrigen Händen an.
    Declan stocherte in seinen Kleidern und förderte einen kleinen Beutel zutage. Er entnahm ihm ein Stückchen Papier, bröselte Kräuter darauf, drehte das Ganze zu einer Art Zigarette und setzte ein Ende in Brand. Sofort erfüllte ein durchdringender, süßer Geruch den Raum. Als Éléonore erkannte, was er vorhatte, packte sie Georgie und hob seinen Kopf an. Declan hielt dem Jungen das brennende Räucherwerk unter die Nase.
    Doch der rührte sich nicht. Declan nahm einen Mundvoll Rauch, öffnete Georgies Mund und blies ihn hinein.
    Keine Reaktion.
    Er ist tot , erkannte sie. Ein Albtraum. Das muss ein Albtraum sein .
    Declan machte ein grimmiges Gesicht. Er packte Georgies T-Shirt, riss es in Fetzen und entblößte so die Brust des Kleinen. »Legen Sie ihn flach hin.«
    Sie ergriff seine Hand und sah, wie sich seine Magie weiß leuchtend zusammenzog. »Nein! Sie bringen ihn um!«
    »Anders geht es nicht.«
    Er schob sie weg, drückte die Hand auf Georgies Brust und entließ einen Blitz. Die Magieentladung zuckte durch den kleinen Körper.
    Georgies Augen flogen auf, zeigten aber nur Weiß und rollten in ihre Höhlen zurück. Der Junge gab einen schrecklichen Krächzlaut von sich, wie eine ungeölte Tür, und Declan schob ihm wieder die brennenden Kräuter unter die Nase. Georgie inhalierte, hustete, inhalierte erneut, blinzelte, und Éléonore bemerkte, dass seine blauen Augen sie ansahen.
    »Mémère«, hauchte er und hustete ein Rauchwölkchen

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