Land der Schatten: Schicksalsrad (German Edition)
viel Freiraum. In der ersten Reihe noch ein Wächter mit einem Gewehr. Er liest ein Buch. Keiner auf der Kanzel. Rückstände von Magie. Rechts ein Korridor.« Georges Züge entgleisten.
»Eine Katze. Verflixt.«
»Bist du gefressen worden?«, murmelte Jack und fluchte innerlich. George war so weggetreten, dass er ihn nicht hörte.
»Ich liege unter einem Putzeimer. Der Kater hat mir das Genick gebrochen. Brennt wie Hölle.«
Die nächsten zehn Minuten vergingen schweigend.
»Okay, er ist weg.« George zuckte zusammen. »Zwei Zimmer. In dem rechts ein weiterer Wächter. Er trinkt Kaffee. Die Tür sitzt wie angegossen. Ich muss noch mal zurück und mich durch die Wand nagen.«
Jack brummte in sich hinein. Je länger George in Trance verharrte, desto schwerer wurde es, ihn zurückzuholen.
»Die Wand ist richtig dick«, sagte George. »Das dauert.«
Verdammt.
Schritte. Jack erstarrte. Näher, näher. Jemand klopfte an die Tür.
Hau ab .
Wieder klopfte es.
Jack tappte zur Tür, ließ sich davor nieder und prüfte die Zugluft darunter. Das sommersprossige Mädchen von vorhin.
Er stand auf und öffnete die Tür einen Spaltbreit. »Hey, was geht ab?«
Sie blinzelte. »Ähem, ist dein Bruder da?«
Mit dem Fuß blockierte Jack die Tür. Wenn George jetzt irgendwas murmelte, würde ihr Leben in Windeseile unübersichtlich werden. »Der pennt.«
Nervös fuhr sich das Mädchen mit der Zunge über die Unterlippe. »Vielleicht könntest du ihn aufwecken.«
»Er ist müde. Und ich auch.«
»Ich bin sicher, er hätte nichts dagegen, wenn du ihn wegen mir wecken würdest.«
Wie sie so dastand, entschlossen, einen Fuß vorgeschoben, war klar, dass sie nicht von sich aus verschwinden würde. Entweder er sagte etwas Unfreundliches zu ihr oder sie würden noch ewig in der halb offenen Tür stehen, während George jeden Augenblick wieder zu sprechen anfangen konnte. Jack durchforstete sein Oberstübchen.
»Er hat eine Freundin, die viel hübscher ist als du.«
Sommersprösschen wich einen Schritt zurück. »Weißt du was? Fick dich!«
»Fick dich selbst. Und tschüss.« Jack knallte die Tür zu und legte den Riegel vor. Puh .
Eine Stunde verging. Dann noch eine. Das dauerte schon viel zu lange.
Endlich verkündete George: »Okay, ich bin durch. Das Zimmer ist leer bis auf einen Tisch. Darauf steht ein eckiger Glasbehälter. Jetzt sehe ich’s. Es ist ein schwacher Karuman-Gefühlsverstärker, Level drei, einfaches Schließmodell, bekannt als das Auge von Karuman. In meinem Gepäck ist ein Buch über Automaten, da müsste ein Bild drin sein. Dieser Gegenstand wurde von einem Kult verwendet, der in den Königreichen seit mindestens 100 Jahren verboten ist. Er beeinflusst nicht bloß Gefühle, sondern dreht dein Gehirn durch die Mangel, bis du ein totaler Fanatiker bist. Den Ablagerungen am unteren Ende der Scheiben nach zu urteilen, wurde dieser Apparat häufig benutzt. Du musst Audrey und Kaldar sagen, dass die Leute, wahrscheinlich glauben, dass Yonker ein Prophet ist, und ihn mit ihrem Leben verteidigen werden, wenn das Gerät eingeschaltet ist. Allerdings hält die Wirkung nicht lange vor, also muss er das Gerät praktisch ständig eingeschaltet lassen, wenn er seine Gemeinde zusammenhalten will. Der Einsatz führt zu Euphorie, manchen Untersuchungen zufolge entstehen sogar Abhängigkeitsverhältnisse …«
»Englisch, George«, brummte Jack.
»… das heißt, die Opfer werden süchtig nach den Gefühlen, die das Auge von Karuman ihnen eingibt.«
Na toll. Durchgeknallte, süchtige Religionsfanatiker.
»Der Apparat besteht aus zwei goldenen Scheiben im Durchmesser von fünf Zentimetern. Zu jeder Scheibe gehört ein dunkelblauer Stein, wahrscheinlich ein Saphir, eingefasst, dreieinhalb Zentimeter Durchmesser. Auf jeder Scheibe fünf Glyphen, strahlenförmig vom Stein ausgehend. Von oben im Uhrzeigersinn: die Luft-Glyphe, die Geist-Glyphe …« George machte sich an eine detaillierte Schilderung der Teile.
Jack prägte sich alles ein. Schließlich holte George tief Luft. »Gut, hol mich jetzt zurück.«
Jack packte seine Schulter und schüttelte ihn. »Wach auf.«
Nichts. Angst durchfuhr Jack. Alles war gut. Er hatte noch was in petto. Wasser.
»Wach auf!«
Keine Reaktion. Mist.
Jack griff nach der Wasserflasche, schraubte den Deckel ab und kippte George den Inhalt über den Kopf.
»Jederzeit«, sagte George.
Verdammt.
Jack schlug ihn. Nichts. Noch eine Ohrfeige. Wieder nichts. Panik stieg in ihm
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