Land der Schatten: Schicksalsrad (German Edition)
Yonker durch den Mittelgang nach vorne ging, Hände schüttelte und Leute umarmte.
»Der hält sich für einen Rockstar«, murmelte Audrey vor sich hin, während ihr Mund lächelte. Jack hatte keine Ahnung, wie sie so mit breit grinsenden Lippen überhaupt sprechen konnte.
Yonker drückte Besucher, bis er die Kanzel erreicht hatte. Dann nahm er ein Mikro und begann zu reden. Und sprach und sprach …
»… Gott will, dass wir ein Leben im Wohlstand führen. Denken wir einen Augenblick darüber nach. Was bedeutet es denn, ein Leben im Wohlstand zu führen? Es bedeutet, gesund zu sein, in geistiger und körperlicher, aber auch in beruflicher Hinsicht. Gott liebt uns. Und diese Liebe, oh, diese Liebe ist allumfassend. Wir sind Gottes Kinder. Wir sind Seine Auserwählten.« Yonker vollführte eine große Geste. »Gott hat uns über Seine gesamte Schöpfung gestellt. Über die Tiere des Waldes, über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels, sogar über Seine Engel im Himmel! Gott will, dass wir gedeihen! Aber können wir denn gedeihen, wenn wir nicht gesund sind?«
Yonker streckte dem Publikum das Mikro hin.
Die Menge antwortete: » NEIN !«
»Nein.« Nun wurde Yonker furchtbar ernst. »Können wir gedeihen, wenn wir nicht glücklich sind?«
» NEIN !«
»Wie können wir als Seine Seinen Namen verherrlichen, wenn wir traurig und niedergeschlagen sind? Wie können wir Seine Macht bezeugen, wenn wir schwach sind und Mangel leiden? Wir müssen zusammenstehen. Wir sind Gesegnete. Wir müssen ein Beispiel Seiner Liebe geben, weil wir Seinen Willen auf Erden verkörpern. Wir müssen Seinen Ruhm in den hintersten Winkel tragen, damit jene, die ihn nicht kennen, uns anschauen und Ihn erwählen.
Jack überlegte, ob er sich unter dem Vorwand, »mal aufs Klo zu müssen«, rausschleichen und davonmachen konnte, verwarf die Idee aber wieder.
»Die Menschen kommen zu mir und sagen: Ed, wie können wir helfen, jenen, die weniger glücklich sind, Gottes Willen zu verdeutlichen? Dann sage ich: Teilt. Teilt den Segen, den Gott euch hat zuteilwerden lassen. Gebt der Kirche, was euer ist, auf dass die Kirche Gott in eurem Namen verherrliche. Ich sage euch nun, dass jene, die auf ihren Scheckheften sitzen und ihr Geld auf ihren Bankkonten horten, nicht Zeugnis ablegen von unserem Herrn. Ihr sollt geben! Stellt noch heute den Scheck aus. Füllt die Überweisungsformulare aus, die die Kinder am Eingang verteilt haben. Füllt sie aus und unterzeichnet sie, wenn ihr in den Himmel eingehen wollt, und schickt sie an unsere Geschäftsstelle.«
Yonker predigte weiter. Jack gähnte und schloss die Augen. Wenn er es sich auf seinem Platz nur richtig bequem machen könnte …
Da bohrte sich ein Finger in seine Rippen. Er schlug die Augen auf. Neben ihm lauschte Audrey Eds Worten. Ihre Lippen bewegten sich kaum: »Wach bleiben.«
Jack seufzte und sah Yonker an, der hinter der Kanzel herumging. Eine Weile stellte er sich vor, was wohl passieren würde, wenn er sich in einen Luchs verwandelte. Die Leute würden panisch herumlaufen, und er würde fauchen und ihnen ordentlich Angst einjagen. Dann fragte er sich, wie Yonker wohl mit einem Schnurrbart aussehen würde.
Endlich gingen Leute durch die Gänge und reichten eine Art Teller herum. Kaldar legte ein Bündel zusammengefalteter Geldscheine darauf, die von einem Clip gehalten wurden, und Jack gab es an eine ältere, im Mittelgang wartende Dame weiter. Die Alte machte große Augen, als sie den Geldclip sah, und trug den Teller fort.
Dann ging die ärgerliche Predigt weiter: Blabla, wir sind so gut, blabla, Gott will, dass wir Geld haben. Dann verließ Yonker die Kanzel und ging nach hinten, während wieder der Chor sang und Paul sie holen kam. Audrey drückte Jack und ermahnte ihn, ein guter Junge zu sein, und versprach ihm, ihn bald zu besuchen.
Paul brachte sie in den hinteren Teil der Kirche bis zum Serviceeingang. Dort wartete ein Lieferwagen auf sie. Paul öffnete die Tür. Auf der Rückbank saßen bereits zwei andere Kinder, ein dunkelhäutiges Mädchen und ein großer, linkisch wirkender Junge mit Sommersprossen und roten Haaren.
»Steigt ein«, befahl Paul.
Nachdenklich betrachtete George den Lieferwagen.
»Wir fahren zum Camp«, sagte Paul geduldig. »Weiter nichts.«
»Nun steig schon ein.« Jack stieß George leicht an.
»Schubs mich nicht.«
»Beweg dich, dann muss ich dich nicht schubsen.«
Sie stiegen in den Lieferwagen und lagen sich die nächste
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