Land der Schatten: Schicksalsrad (German Edition)
Weise zuckte er mit einer Schulter. »Vielleicht weil ich auf das richtige Mädchen gewartet habe.«
»Bitte.« Aus irgendeinem Grund hätte sie am liebsten geheult, was nun wirklich total bescheuert war. »So wie Sie aussehen und bei allem, was Sie draufhaben, wette ich, dass Sie schon jede Menge Mädchen gekannt haben. Irgendwann kam die Richtige und verschwand wieder, Kaldar, und das vermutlich mehr als nur einmal.«
»Du verwirrst mich. Dann möchtest du, dass wir heiraten, ist es das?«
Jetzt musste sie tatsächlich gegen Tränen ankämpfen. Sie musste alles aufbringen, um ihr freundliches Gesicht zu wahren. Wenigstens hoffte sie, dass sie freundlich dreinschaute. »Reden Sie kein dummes Zeug. Ich kann Sie unmöglich heiraten. Ich kenne Sie ja nicht einmal. Sie wechseln Ihre Miene so oft wie andere ihre Socken. Jeden Tag ein neues Paar. Der charmante Schurke, der arrogante Geschäftsmann, der treu sorgende Onkel, der gerissene Dieb … Sie wechseln willkürlich von einem zum anderen. Ich bin mir nicht mal sicher, ob wir Ihr wahres Ich hinter dieser Maskerade überhaupt schon mal zu Gesicht bekommen haben. Fragen Sie mich mal, wie der wahre Kaldar so ist. Was er will, was er braucht, was für ein Mann er ist, ich kann es Ihnen nicht sagen. Wissen Sie eigentlich selbst, hinter welcher Ihrer vielen Rollen sich ihr Selbst verbirgt?«
Er blieb stumm.
»Ich muss einen Mann kennen, ehe ich ihn in mein Bett einlade. Ich will ihm vertrauen und ihn mögen. Sie sind der aufregendste Mann, dem ich jemals begegnet bin. Ohne jeden Zweifel. Der beste Taschendieb. Der beste Schwertkämpfer. Und Sie sind ein genialer Schwindler. Sie stechen die gewieftesten Gauner aus, die ich kenne. Mein Vater hätte gegen Sie keine Chance. Sie würden ihm glatt im Januar für einen Schneeball sein Haus abschwatzen.«
»Das ist es also«, sagte er leise. »Du glaubst, ich betrüge dich, Audrey?«
»Nein. Ich weiß, dass Sie mich betrügen.« Audrey zuckte die Achseln. »Sie haben mein Kreuz gestohlen, Kaldar. Sie haben mich wie einen Schmutzfleck behandelt. Sie haben keinen Respekt vor mir.«
»Ich habe es genommen, weil ich von dir besessen bin.« Seine Stimme bebte. »Ich wollte etwas von dir, weil ich mehr nicht bekommen konnte.«
»Ja, klar.« Audrey seufzte. »Sie sind nicht der erste Gauner, der mir an die Wäsche will. Ich kenne sämtliche Tricks, ich habe alle Schmeicheleien gehört. Ich bin bei einem Vater aufgewachsen, der sich ausgesprochen gut auf Frauen verstand. Ich habe gesehen, wie seine Kumpel mit ihren Frauen umgesprungen sind. Ich meine ja gar nicht, dass wir keinen Spaß miteinander hätten, Kaldar. Den hätten wir sicher. Und bis vor ein paar Stunden hätte ich Ihren Antrag vermutlich sogar angenommen. Aber wir wären heute fast draufgegangen. Mir ist klar geworden, dass ich ein bisschen Glück verdiene. Ich will nicht mehr nur Spaß.«
»Und was willst du dann?«
»Ehrlichkeit, Loyalität, und im Gegenzug möchte ich Loyalität und Liebe geben. Ich möchte einmal im Leben jemandem trauen können, ohne mich rückversichern, meinen Mann ständig im Auge behalten und mir Sorgen machen zu müssen, ob er mich anlügt. Natürlich will ich Spaß, Kaldar, aber ich will auch geliebt werden. Wirklich geliebt. Das Leben ist zu kurz, und ich möchte das noch erleben, bevor ich sterbe. Ich glaube nicht, dass Sie diese Art Spaß im Sinn hatten, als Sie hier hereinkamen. Und daran ist ja auch gar nichts verkehrt. Wir haben lediglich unterschiedliche Ziele, und deshalb wäre es ein Desaster, wenn wir wirklich zusammenkommen würden.«
»Bist du unter die Hellseher gegangen?«
Er klang nun echt wütend. Er ist wütend. Ach was ? Schön. Ich kann auch wütend werden .
»Klar. Ich lese Ihre Gedanken. Das ist gar nicht so schwer. Denn alle Ihre Gedanken, ihre Fantasien haben nur ein Ziel, und das liegt zwischen meinen Beinen, und ich soll vor Lust schreien und den Orgasmus meines Lebens erleben und Ihnen anschließend sagen, wie es für mich war. Über den Gedanken sind Sie nie hinausgekommen, und wenn doch, wären wir in Ihrer Vorstellung am nächsten Morgen nebeneinander aufgewacht, als wäre überhaupt nichts passiert. Und es wäre nicht mal peinlich. Weil sich nämlich nichts geändert hätte. Wir würden weiter unser Vorhaben verfolgen, hätten weiter tollen Sex, und wenn wir trotz allem mit dem Leben davonkämen und es Zeit wäre, Lebewohl zu sagen, würden Sie mir einen Klaps auf den Hintern geben, ich würde dumm
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