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Land der Schatten: Schicksalsrad (German Edition)

Land der Schatten: Schicksalsrad (German Edition)

Titel: Land der Schatten: Schicksalsrad (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilona Andrews
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sich all ihre Befürchtungen bewahrheitet: Kaldar hatte ihr Leben zerstört, und bis heute Abend hatte sie ihm sogar dabei geholfen, es Stein für Stein abzutragen.
    Eine halbe Stunde später wusste sie, dass er nicht mehr kommen würde. Sie weinte leise, bis sie zu müde dazu war. Dann wusch sie sich mit kaltem Wasser das Gesicht, damit es am Morgen nicht rot und aufgedunsen aussah, machte das Licht aus und ging ins Bett.
    Nächtliche Schatten beherrschten das Zimmer. Normalerweise hieß sie die Dunkelheit willkommen, aber heute wurde ihr unheimlich zumute. Lange lag sie da, hin- und hergerissen zwischen der Furcht vor der Finsternis und der unvernünftigen Sorge, dass etwas nach ihrem Knöchel greifen würde, wenn sie aufstand und das Licht einschaltete.
    Lächerlich.
    Sie stieg aus dem Bett, machte Licht, marschierte zum benachbarten Zimmer und klopfte an die Tür. Die Tür ging auf, und Gaston grinste sie an.
    »Kann ich mir ein Messer borgen?«
    »Ein Obstmesser oder ein richtiges Messer?«
    »Ein richtiges Messer.«
    Er ging ins Zimmer und reichte ihr einen langen, gekrümmten Dolch mit silberner Klinge. »Stimmt was nicht?«
    »Nein.« Ich habe bloß Angst, alleine zu schlafen . »Mir ist nur aufgegangen, dass ich unbewaffnet bin.«
    In seinen Augen blitzte Verstehen auf. »Haben Sie meinen Onkel gesehen? Ich dachte, er wäre bei Ihnen.«
    »War er auch, er ist aber schon vor einer Weile gegangen. Danke für den Dolch.«
    »Kein Thema.«
    Sie kehrte in ihr Zimmer zurück, schloss die Tür, legte den Dolch auf den Nachttisch, machte das Licht aus und kuschelte sich in ihr Bett. Wenn sich irgendeiner der Freaks von der Hand darunter verstecken wollte, würde sie Hackfleisch aus ihm machen.
    Kaldar lehnte am Geländer eines langen Balkons, der den dritten Stock des Hotels umlief. Unter ihm lockte ein kleiner Swimmingpool in einem landschaftlich gestalteten Innenhof. Eine Runde Schwimmen wäre jetzt sicher nicht verkehrt gewesen. Ein gepflasterter Gehweg schlängelte sich um den Pool und führte zu einem plätschernden Fluss mit grünen Ufern. Über allem stand der Vollmond am dunklen Himmel wie eine Silbermünze. Der Fluss schimmerte im Mondlicht wie vulkanisches Glas.
    Kaldar empfand Reue, und das Antlitz des Mondes erschien ihm kläglich.
    Mit Audrey hatte er es sich verscherzt. Er hatte Dinge gesagt, die er besser für sich behalten hätte, wenn er die geringste Hoffnung hegte, jemals mit ihr zusammen zu sein. Aber seine Äußerungen entsprachen der Wahrheit, was allerdings nichts änderte. Sobald sie alles erledigt hatten, würde sie ihr altes Leben im Broken wiederaufnehmen und weiter darauf beharren, allmählich zu vertrocknen. Ihm war tatsächlich noch niemand begegnet, der mehr draufhatte als sie, und der Gedanke, dass sie ihre Gaben vergeuden könnte, bereitete ihm beinahe körperliche Schmerzen. Er seufzte und hoffte, seine Enttäuschung in die Nacht auszuhauchen.
    Von der Treppe näherten sich behutsame Schritte. Im nächsten Moment lehnte Gaston neben ihm am Geländer. »Hier bist du, Onkel. Ich habe mir Sorgen gemacht.«
    »Ich bin gerührt«, antwortete Kaldar gewohnheitsgemäß, doch seine Stimme klang sogar in seinen eigenen Ohren falsch.
    Gastons Augen fingen das Mondlicht ein und spiegelten es leuchtend silbrig wider. Er nahm sich zusammen, sein Blick fixierte die blasse Scheibe, als wollte er die Hand danach ausstrecken. Anscheinend hatten es die Thoas irgendwie mit dem Mond.
    »Spricht er zu dir?«, fragte Kaldar.
    »Nein. Aber er hat etwas an sich. Ein Wunderding außerhalb unserer Reichweite. Man kann nur hinaufsehen und sich vorstellen, wie es wäre, ihn anzufassen.« Gaston wandte sich um und sah ihn an. »Etwas bedrückt dich, Onkel.«
    »Wie alt war dein Vater, als du zur Welt kamst? Achtundzwanzig?«
    »Neunundzwanzig.«
    »Und du bist das jüngste von drei Kindern?«
    Gaston nickte.
    »Ich habe nachgedacht«, sagte Kaldar. »Bevor die Hand unsere Familie dezimierte, waren wir sieben Männer, keiner von ihnen mehr als fünf Jahre jünger als ich. Keiner unverheiratet.«
    Stirnrunzelnd betrachtete Gaston den Mond. »Abgesehen von Richard.«
    Ja, Richard. An Richards Heirat zu denken war wie das Brennen einer alten Wunde – sie heilte zwar, tat aber immer noch weh. Richards Frau hatte ihn verlassen, so wie ihre Mutter ihren Vater zehn Jahre zuvor. Richard hatte sich davon nie wieder erholt. Und Kaldar selbst genau genommen auch nicht.
    Kaldar hatte die Heirat arrangiert. Wie die meisten

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