Land der Schatten: Schicksalsrad (German Edition)
Bergfried ein. Ein Kareta wird euch und eure Habseligkeiten hinbringen.«
»Ausgezeichnet«, nickte Kaldar.
Fünf Minuten später hielt neben dem Flugdrachen ein Kareta. Das schlanke, aerodynamische Gefährt erinnerte an einen kleinen Hochgeschwindigkeitszug, die reich verzierten Flanken waren in hellem Türkis lackiert. Die Tür ging auf, und die Fahrerin, eine kleine, dunkelhaarige Frau, stieg aus. Dann sprangen hinten und an den Seiten weitere Türen auf, klappten hoch wie Insektenflügel und offenbarten acht bequeme Plätze im Innern sowie einen durch eine Faltwand abgetrennten Gepäckraum.
Gaston machte sich daran, ihre Koffer zu verstauen, wobei er darauf achtete, dass der Tulpenkoffer ausreichend Platz hatte. Kaldar blieb vor dem Kareta stehen und verneigte sich leicht. Dann trat George aus der Kanzel, schnitt ein etwas ungehaltenes Gesicht und stieg in das Gefährt. Jack folgte ihm. Der Jüngere trug eine unvergleichliche Miene zur Schau: halb gelangweilt, halb apathisch. Perfekt.
»Sichere den Drachen«, wies Kaldar Gaston an. »Und komm vor dem Abendessen zu uns, damit ich dir weitere Anweisungen erteilen kann.«
Gaston verbeugte sich.
Kaldar nahm neben dem Ausgang Platz. Die Türen senkten sich, die Fahrerin stieg vorne ein, von den Fahrgästen durch ein verschiebbares Metallgitter getrennt, und der Kareta flog los.
Kaldar räusperte sich. Im nächsten Moment glitt die Faltwand lautlos zur Seite, und Audrey ließ sich neben ihm nieder. Er ordnete behutsam ihre Frisur und schob eine große, verzierte Spange hinein.
Sie sah ihn an.
» Sender «, bedeutete er ihr stumm und tippte auf das kleine Silberviereck hinter seinem Ohr.
Der Kareta trug sie über die Brücke, unter zwei Außenwerken hindurch in den Burghof. Die Türen gingen auf. Audrey legte ihre Hand in seine und stieg vorsichtig aus. Die Fahrerin blinzelte.
»Vielen Dank für die Mitfahrgelegenheit, Master Brossard.«
»War mir ein Vergnügen, Mylady.«
Die Jungen stiegen aus.
»Hier ist es?« George hob die Augenbrauen.
Jack zuckte die Achseln. »Hab schon Besseres gesehen.«
»Benehmt euch, Kinder.« Kaldar hielt der Fahrerin eine Viertelkrone hin. Die Frau beschloss darauf, sich nicht länger über Audreys plötzliches Erscheinen zu wundern, und nahm das Geld an.
Da trat ein Mann aus der Doppeltür des Bergfrieds. Makellos gekleidet, alt und grau. Er blieb vor ihnen stehen und verbeugte sich. Genau die Sorte Butler, die eine alte blaublütige Familie einstellen würde, dachte Kaldar. Morell de Braose legte sehr viel Wert auf Äußerlichkeiten.
Der Butler richtete sich auf. »Meine Herren, Mylady, bitte, folgen Sie mir.«
Er hat den Verstand verloren, dachte Audrey, während sie leichtfüßig neben Kaldar herging und dem Butler über einen Korridor folgte. Der polierte grüne Granitfußboden glänzte wie ein Spiegel. In Wandnischen standen Statuen und hingen Gemälde. Sie hatte keine Zeit, sich die Kunstwerke genauer anzusehen, war aber sicher, dass es sich um Originale handelte.
Sich in der Oberschicht des Weird zurechtzufinden war absolut nicht nach ihrem Geschmack. Aber Kaldar hatte ohne Zweifel einen neuen brillanten, idiotischen Plan in petto, allerdings konnte sie ihn, da sie bestimmt belauscht wurden, nicht danach fragen.
Am liebsten hätte sie ihn in einen der kleinen Alkoven geschubst und geschlagen. Nicht, dass das irgendwas gebracht hätte, da er offenbar eine verkleidete, tödliche Waffe war.
Sie betraten einen großen Saal. Der Fußboden bestand aus weißem Marmor, die Wände waren mit lebenden Pflanzen in weißen Vasen dekoriert. Hier und da luden kleine, verzierte Sitzgruppen zum Verweilen ein. Zwei Dutzend Menschen bevölkerten den Saal. Ganz links stritt leidenschaftlich eine Handvoll junger Männer, Blaublütige oder solche, die es sein wollten. Ein Stück hinter ihnen lauschte eine schöne, dunkelhaarige Frau einem jungen Mann, der ihr aus einem Buch vorlas. Der junge Mann trug eine Brille und spickte seine Lesung mit bedeutsamen Pausen. Weiter rechts waren ein Mann und eine Frau in den Vierzigern in ein Brettspiel vertieft. Zwei weitere Männer, einer blond, der andere dunkelhaarig, hielten sich an Weingläsern fest. Der Dunkelhaarige wandte sich ihnen zu. Etwas in seinem Gesicht veränderte sich. Er starrte sie mit einem enervierenden Raubtierblick an, als wollte er ihnen im nächsten Moment das Genick brechen. Als blickte man im Wald in die Augen eines Wolfs.
Großer Gott .
Der Mann fixierte Kaldar. Der
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