Land der Schatten: Schicksalsrad (German Edition)
Lächeln. »Danke, Mylady.«
Sie lächelte zurück. »Gern geschehen, Mylord.«
Wenn er nicht auf dem Sprung gewesen wäre, hätte er sie zum Essen einladen können, sie hätte bestimmt eingewilligt. Kaldar checkte das verborgen in ihren Augen glimmende Lächeln. Sie würde ganz sicher Ja sagen, anschließend würde er sie dazu bringen, in eine gemeinsame Nacht einzuwilligen, in der sie jede Menge Spaß zusammen haben würden. Leider war er gegenwärtig nicht sein eigener Herr.
»Und, was jetzt?«, wollte Kaminski wissen.
»Als Nächstes gehe ich auf die Jagd«, gab Kaldar zurück.
Eine Viertelstunde später beendete Kaldar den Austausch von Höflichkeiten, schüttelte Hände, nahm Dank entgegen und machte sich endlich auf den Weg zu seinem Flugdrachen, der am Stadtrand auf ihn wartete. Die Süchtigen im Weird verwendeten keine Crackpfeifen, was bedeutete, dass die Westägypter richtiglagen. Die Diebe mussten aus dem Edge oder dem Broken gekommen sein. Es war schon fast vier Monate her, dass er einen der beiden Orte besucht hatte. Der nächste Hüpfer über die Grenze war längst überfällig.
Von drei Beteiligten musste er sich vor allem auf den Einbrecher konzentrieren. Ein derart begabter Mann würde nicht lange untätig bleiben. Der Bursche hatte gewiss irgendwo irgendeine Spur hinterlassen. Kaldar musste sie nur noch finden.
Er brannte darauf, den talentierten Bastard kennenzulernen.
Der umgestürzte Baum lag immer noch auf der Straße. Audrey seufzte, zog die Handbremse und machte sich an den Aufstieg. Aus dem Abendhimmel fiel grauer Nieselregen auf den Wald. Bald kam der Juni und mit ihm Hitze und kristallblauer Himmel, doch erst mal war die Welt noch feucht, alle Farben bis auf das leuchtende Grün blass. Ganz schön weit weg von Florida! Wenn man durchs Weird reiste, musste man vier Länder durchqueren, ohne Flugdrachen unmöglich. Sie war stattdessen von Seattle nach Orlando geflogen. Das Flugzeug war spät gelandet, und sie hatten die Sache noch in derselben Nacht durchgezogen. Auf der Fahrt nach Jacksonville hatte sie durch die Windschutzscheibe eines gestohlenen Wagens den Sonnenaufgang beobachtet. Er begann als blasser, violetter und roter Lichtschein am Horizont, über der glatten Fläche des silbrig schimmernden Ozeans, dann brannte plötzlich der ganze Himmel, rosa, orange, gelb, ein Aufruhr aus Farben, gewaltig und erschreckend.
Audrey seufzte. Sie wäre so gerne länger geblieben, doch der gesunde Menschenverstand hatte gewonnen. Jeder weitere Augenblick in Florida bedeutete Gefahr. Außerdem riss das Wiedersehen mit Alex alte Wunden auf. Er hatte sich kein bisschen verändert. Dasselbe dreckige Grinsen, derselbe leere Blick, dieselbe Verachtung des Drogenabhängigen für alles und jeden. Dann hatte sie Dad, nein, Seamus , da sie ihn kaum mehr als ihren Vater bezeichnen konnte, und Alex sich selbst überlassen und das erste Flugzeug von Jacksonville genommen. Und, wie alle anderen, sechs Stunden lang in Atlanta warten müssen. Sie war sich ziemlich sicher, dass jemand, der im Süden starb, erst mal Aufenthalt in Atlanta hatte, ehe er ins Jenseits einging. Doch nun, fast fünfzehn Stunden später, war sie endlich zu Hause.
Die Pyramide … eine höllische Nummer. Schwierige Schlösser waren nicht das Problem, doch drei Türen hatten schwere Riegel gehabt. Und solch einen Riegel mittels Magie zu heben fiel ihr schwerer, als ihr eigenes Körpergewicht zu stemmen. Die drei verstärkten Türen hatten sie ums Haar ausgelaugt, doch sie hatte es geschafft. Jetzt war es vorbei, der erste Tag vom Rest ihres Lebens hatte begonnen. In Freiheit.
Audrey nahm den umgestürzten Baum, überquerte die Lichtung und klopfte an Gnoms Tür. Ein raues Knurren antwortete: »Herein!«
Audrey probierte den Türknauf. Wieder abgeschlossen. Ein kleiner Test, wie? Sie drückte die Handfläche gegen die Tür, und es machte Klick. Audrey öffnete die Tür, streifte die Füße an dem Läufer ab und ging hinein. Gnom saß in seinem Sessel. Als sie näher kam, runzelte er die buschigen Brauen. Audrey nahm ihm gegenüber Platz, griff in ihre Tasche und entnahm ihr eine Flasche AleSmith Speedway Stout. Sie stellte sie auf den Tisch.
»Danke, dass Sie Ling gefüttert haben, als ich weg war.«
»Kein Thema. Sie brauchte ja bloß eine Tasse Katzenfutter.« Gnom zuckte mit den breiten Schultern. »Das kleine Biest hasst mich, wissen Sie?«
»Nein, sie hat nur keinen Bock. Das Leben hat ihr übel mitgespielt«, sagte
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