Land der Schatten: Schicksalsrad (German Edition)
Gepäck der Männer. Rings um Helena materialisierte ihre Einheit, zwölf der besten Hunde, wie durch Zauberkraft aus dem Wald.
Der größte der drei Ankömmlinge aus dem Broken, ein Riese mit eierschalenfarbenen Haaren, ging in die Knie. Sebastian, Helenas Zweiter Offizier, bezog neben ihr Stellung, wachte über sie und strahlte Gefahr aus. Die beiden Männer hätten nicht unterschiedlicher sein können. Der über zwei Meter große Karmash, blass, mit Haaren, die so hell waren, dass sie fast keine Farbe mehr hatten, perfekt manikürten Fingernägeln und einer Schwäche für die schönen Dinge des Lebens. Und Sebastian, der zwar nur einen Meter fünfzig maß, aber fast genauso viel wog wie Karmash, dunklere Haut und kurz geschnittenes dunkles Haar hatte. Rings um seinen Hals waren die Worte FIERCE TO THE END tätowiert. Mit seiner dank massiver Muskelberge ungeheuren Körperkraft verlieh er den Worten eine neue Bedeutung. Er war ihr ergeben, wie ein Hund von klein auf seiner freundlichen, aber strengen Herrin. Karmash traute er nicht über den Weg, und der riesige Albino konnte ihn seinerseits nicht ausstehen. Die beiden würden sich einen tollen Kampf liefern, dachte Helena.
Genau wie ihre neue Meuchelmörderin Mura war Karmash eine Leihgabe, doch während die Frau sich prächtig in die Befehlskette eingliederte, konnte man das von Karmash nicht behaupten. Er war zu sehr darauf geeicht, das Heft in der Hand zu halten, und Sebastian hasste ihn dafür in stiller, wütender Inbrunst. Gut so. Sebastian wurde es allmählich zu wohl in seiner Haut. Er brauchte einen missgünstigen Rivalen. Außerdem konnte Karmash das Broken betreten, und offenbar hatte er seinen Auftrag erledigt. Allerdings durfte sie das von einem Agenten in Spiders Diensten auch erwarten.
»Mylady.« Karmash verneigte sich, behielt sie und Sebastian zu ihrer Linken jedoch im Auge.
»Erhebe dich.«
Er stand auf und überragte sie um fast einen halben Meter. Sie näherte sich dem Bündel und nahm ihre Kapuze ab. Ihr Haar fiel ihr in einem langen, blonden Pferdeschwanz über die Schulter. »Öffnen.«
Der zweite Agent kauerte sich hin und schnitt die Leinwand auf. Ein Mann wälzte sich auf der Straße, richtete sich auf, setzte sich in den Dreck und sagte: »Hallo!«
Helena ging vor ihm auf und ab und legte den Kopf schief, um ihn besser sehen zu können. Mager. Beinahe ausgezehrt. Blutunterlaufene Augen. Fiebrig glänzende Haut. Zitternde Hände. Ein Süchtiger.
»Ich kann nicht behaupten, dass mir diese Behandlung gefällt.« Der Mann spuckte auf die Erde.
Was für ein trauriges, unansehnliches Wrack von einem menschlichen Wesen.
Helena ging vor ihm in die Hocke und blickte ihm in die Augen. Er erwiderte ihren Blick. Die meisten hielten ihm nicht stand, sie fühlten sich unbehaglich angesichts ihrer hellgrünen Augen mit den Pupillen einer Katze. Spider hatte ihr mal gesagt, man habe das Gefühl, in die Augen eines Dämons zu schauen, der einen im nächsten Moment verspeisen würde. Ihr Onkel hatte eine Neigung zur Poesie. Leider war dieser Mann nicht so beschränkt, so dumm oder so arrogant, sich vor ihr im Dreck zu winden.
»Wurden Sie geschlagen?«, erkundigte sich Helena.
»Ein paar blaue Flecken.« Der Mann zog Rotz hoch. »Aber wenn etwas dabei herausspringt, sehe ich eine Möglichkeit, darüber hinwegzusehen. Immerhin haben Sie mich aus der Entzugsklinik geholt.«
»Hm, wir werden sehen. Wissen Sie, wer wir sind?«
»Die Hand. Der Spiegel. Mal ehrlich, das ist mir scheißegal.«
Lästerliche Antworten. Von einer Promenadenmischung seiner niedrigen Herkunft nicht anders zu erwarten, aber nichtsdestotrotz unhöflich. »Wo ist die Box?«
Er reckte ein wenig das Kinn. »Und was kriege ich dafür?«
Helena hätte fast losgeprustet. Da saß er, umringt von Hunden, und erwartete einen Lumpenlohn von ihnen. »Sind Sie käuflich?«
»Jeder ist käuflich, Süße.« Der Mann zuckte die Achseln. »Sie sind wohl neu im Geschäft. Dann lassen Sie mich Ihnen mal erklären, wie der Hase läuft. Ich bin nicht teuer. Und ich weiß, was Sie wollen. Sie wollen meine Schwester. Geben Sie mir, was ich will, dann erzähle ich Ihnen alles über sie.«
»Tatsächlich.« Was für ein Wurm. Keine Ehre im Leib. Keine Würde . Keine Loyalität. Erbärmlich .
»Wie ich schon sagte, falls der Preis stimmt, bin ich Ihr Mann. Ich verrate Ihnen alles. Ich erzähle Ihnen sogar was über einen anderen Typen, der vor Ihnen bei mir aufgekreuzt ist.«
Helena
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