Land der Schatten: Schicksalsrad (German Edition)
richtete sich auf und warf Karmash einen Blick zu. Der Große zerrte den Gefangenen auf die Beine, griff ihm unter die steifen Arme, verschränkte die Hände hinter dem Kopf des Kerls und riss ihn hoch, bis seine Füße den Bodenkontakt verloren.
»Hey, hey, hey!« Der Kerl wand sich in Karmashs Griff. »Nun lass mal!«
Helena streifte ihren Handschuh ab, löste ihren Umhang und ließ ihn fallen. Hinter ihr trat Mura vor, dunkelhaarig, glatt, schlank, wie eine Messerklinge, und fing den lebendigen Stoff auf, ehe er die Erde berührte. Der Umhang glänzte und nahm, in dem Bemühen, Muras durch Magie modifizierte Hautfarbe zu duplizieren, eine ungesunde, orangefarbene Tönung an.
Helena stand vor dem Mann. Sie trug weiche, dunkle Lederkleidung. Ein Ledergürtel um die Taille hielt ihre Tunika zusammen, daran handgemachte Scheiden für ihre zwei Krummschwerter. Sie zog ein schwarzes Messer aus dem Gürtel und trat einen Schritt auf den Drogenabhängigen zu.
Der Gefangene blickte auf sie hinunter. »Was denn, wollen sie mich etwa durch die Mangel drehen? Wozu? Ich versuche gerade, mit Ihnen ins Geschäft zu kommen.«
Sie wölbte die schmalen Brauen. »Ich mache keine Geschäfte.« Sie griff in den dünnen Stoff seines Hemdes, schlitzte es auf und entblößte seine knochige Brust.
»Hören Sie, Sie begehen da einen schweren Fehler. Sie vergeuden Ihre Zeit und Energie mit mir. Und wofür? Geben Sie mir einfach mein kleines Stück vom Kuchen, dann verrate ich Ihnen alles, was ich weiß.«
Helena schob ihren Ärmel zurück und zeigte ihm den blauen, in ihren muskulösen Unterarm geritzten Fangzahn. »Ich gehöre zu den Hunden des Goldenen Throns. Wissen Sie, was das ist?«
Seine Miene verriet, dass er keinen Schimmer hatte. »Wissen Sie, dass das Herzogtum Louisiana eine Kolonie des Großreiches Gallien ist?«
Er nickte. »Klar.«
»Wenn der Gallische Thron ein Furunkel entfernen will, komme ich ins Spiel. Ich handle nicht. Ich mache keine Geschäfte. Ich verschone niemanden. Ich zerstöre zum Wohl meines Landes. Sieh mir in die Augen, Sirrah.«
Er blickte in ihre blaugrünen Iriden. Sie sah ihn an wie eine Tigerin ihre Beute, bis sie in seinen Augen den ersten Anflug von Angst erkannte.
»Sag mir Bescheid, wenn du einen Funken Erbarmen entdeckst.« Ihre Magie erhob sich um sie wie ein dunkler Mantel aus Rauch.
Der Süchtige erstarrte wie ein verängstigter Vogel. Endlich hatte sie seine Aufmerksamkeit.
Für eine kurze Sekunde neigte Helena mit geschlossenen Augen den Kopf. »Ich bin Mitglied der Hunde des Goldenen Throns, ich habe im Gallischen Reich und seinen sämtlichen Kolonien Rechtsbefugnis, und ich befinde dich, Alex Callahan, für schuldig. Du bist ein Feind Galliens.«
Die Magie schlug Funken. Karmash ließ Callahan fallen, der darauf verschwand und sechs Meter weiter wieder auftauchte. Er nahm sofort die Beine in die Hand, rang seinem ausgemergelten Körper das Äußerste an Geschwindigkeit ab und stürmte den Fußweg entlang. Interessante Gabe. Noch interessanter war jedoch, dass Karmash mitbekommen hatte, dass etwas nicht stimmte, und lieber sich selbst in Sicherheit gebracht hatte, statt den Gefangenen festzuhalten.
Ein Wink von Helena, und Soma und Killian flitzten hinter Callahan her. Zwei Atemzüge später hatten die beiden Jäger den Läufer eingeholt. Killian prallte gegen den Süchtigen und drückte ihn zu Boden. Der Edger wollte seine Fingernägel in seinen Arm graben, glitt aber folgenlos ab. Killian zählte zu den besonders stark modifizierten Jägern: Seine Haut war zäh wie Leder. Er und Soma hoben Callahan gemeinsam auf und trugen ihn zurück.
»Nagelt ihn an den Baum«, befahl Helena.
Die beiden Jäger rissen den Edger auf die Beine, Sebastian zog zwei Dolche aus der Scheide an seiner Taille und durchbohrte damit unmittelbar unter dem Schlüsselbein die Schultern des Mannes. Callahan schrie, als er sich wie ein Schmetterling an die Eiche geheftet fand.
Helena näherte sich ihm mit dem Messer in der Hand. Eine exzellente Klinge, rasiermesserscharf und stark, wie ihr gesamtes Handwerkszeug, ob menschlich oder nicht. Sie fuhr damit über den Oberkörper des Edgers, die Klinge berührte kaum den bleichen Balg, trotzdem hinterließ die Messerspitze auf der Haut des Mannes eine schwungvolle rote Linie.
»Hilfe!«, kreischte Alex. »Helft mir! Helft mir!«
Das Messer blitzte einmal, zweimal, früher hatte sie in ihrem Arbeitszimmer so gemalt: schnelle Striche leuchtend roter Farbe auf
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