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Land der Schatten: Schicksalsrad (German Edition)

Land der Schatten: Schicksalsrad (German Edition)

Titel: Land der Schatten: Schicksalsrad (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilona Andrews
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dich erkannt .
    Dieser Mann war ein Gauner, und das nicht weil die Umstände ihn in die Kriminalität gezwungen hatten, sondern weil er bereits so auf die Welt gekommen war. Wahrscheinlich hatte er seiner Mutter von dem Moment an, da er grinsen konnte, die Milch abgeschwindelt. Und bestimmt würde er jede Jungfrau binnen zwanzig Minuten aus ihren Klamotten schwatzen. Ihren armen Vater würde er bei der ersten Einladung in sein Haus unter den Tisch saufen, ihre Mutter bezirzen, die Großeltern verzaubern und dem Mädel eine unvergessliche Nacht bescheren. Am nächsten Morgen würde ihr Vater eine Alkoholvergiftung haben, das gute Silber wäre zusammen mit dem Familienauto über alle Berge und die gewesene Jungfrau samt Mutter binnen eines Monats guter Hoffnung.
    Er konnte nur Übles im Schilde führen. Sie musste sich auf der Stelle vor ihm in Sicherheit bringen. Das war keiner von Alex’ Drogenkumpels, und zu den sogenannten Freunden ihres Vaters gehörte er auch nicht: Seamus Callahan kannte seine Grenzen. Dieser Bursche würde ihn an der Nase herumführen, und Seamus ließ sich nie mit jemandem ein, der klüger war als er selbst. Na ja, von seiner Verwandtschaft mal abgesehen.
    Nein, dieser Mann war für eine einfache Edge-Ratte zu gefährlich. Er arbeitete für jemanden im Edge oder eher noch im Weird, und vermutlich war er hinter der Box her, die sie in Westägypten gestohlen hatten. Und wenn er sie gefunden hatte, würden andere nach ihm kommen. Ihre Verfolger würden keine Ruhe geben und nicht lange überlegen, bevor sie sie umbrachten.
    Sie war am Ende. Ihr Job, ihr Leben, alles vorbei.
    Das Mädchen sah klasse aus.
    Kaldar hatte eine Drogenabhängige oder ein Opferlamm erwartet, eine Frau mit ausgemergelten Gesichtszügen, vom Leben abgehärmt, verbittert. Er hatte schon eine Menge hübscher Mädchen gesehen, eine Menge davon, wie Gott sie erschaffen hatte, doch diese Audrey war eine Klasse für sich. Wie Gold. Ihre gebräunte Haut leuchtete fast. Ihre dunklen Augen unter schmalen Brauen funkelten, ihre zurückgekämmten Haare glänzten in diesem ganz besonderen Rot, eher braun mit einem Goldschimmer als orangefarben. Ihr strahlend weißes Lächeln wirkte ansteckend. Er wollte es erwidern und etwas Amüsantes tun, damit sie ihn erneut anlächelte.
    Sie kam auf ihn zu. Lächelnd, klarer Blick, ohne Zögern. Und hübsch rausgeputzt: professionell, klar, aber immerhin so eng, dass die Hose ihre langen Beine sehen ließ und ihr Hinterteil betonte. Das rote Top unter der Jacke war so tief ausgeschnitten, dass sein Blick unwillkürlich zu ihren Brüsten wanderte, die ein echt schöner Anblick waren. Jede Wette, dass es in diesem Gebäude Männer gab, die viel Zeit darauf verschwendeten, sich vorzustellen, wie sie ihr die Kleider vom Leib pellten, und über die Farbe ihrer Unterwäsche nachsannen. Die Frage war nur, wusste sie davon, und wenn ja, was machte sie daraus?
    »Hi!«, sagte sie noch mal, ganz Sonnenschein und Rosen. »Ich heiße Audrey. Wie kann ich Ihnen helfen?«
    Auch ihre Stimme war pures Gold – samtig, mit einem leicht südlichen Einschlag. Er hätte sich für eine andere Tarnung entscheiden sollen, für etwas Wärmeres, Freundlicheres anstelle seiner Seattle-Grunge-Verkleidung. Aber dafür war’s jetzt zu spät. Entweder sie war echt gut und er steckte in Schwierigkeiten oder sie war ein Hohlkopf und er hatte unverschämtes Glück.
    »Hi, Audrey.« Kaldar erwiderte ihr Lächeln und legte einen Anflug seiner eigenen Südstaatenherkunft in seine Stimme. »Mein Name ist Denis Morrow.«
    »Erfreut, Sie kennenzulernen, Denis.«
    »Ganz meinerseits.«
    Audrey schüttelte seine Hand, und er erhaschte einen Hauch ihres Parfüms: Zitrusfrüchte, Pfirsich, Sandelholz, frisch, sinnlich, aber nicht zu schwer.
    Ihre Finger hielten seine sekundenlang fest und glitten dann behutsam aus seiner Hand. Er hatte damit gerechnet, trotzdem beschleunigte sich sein Puls. Sie war gut.
    »Bitte, setzen Sie sich.«
    »Gerne.«
    Kaldar nahm auf dem Holzstuhl vor ihrem Schreibtisch Platz. Sie trat dahinter, stolzierte ein wenig, setzte sich und lächelte ihn an. Ein süßes, vollkommen unschuldiges Lächeln. Fast erwartete er, Blumen aus dem Teppich blühen zu sehen und Vöglein ihr Lied anstimmen zu hören.
    Audrey zog die oberste Schreibtischschublade auf. Kaldar straffte sich. Dann stellte sie eine kleine Schachtel Altoids auf den Schreibtisch. »Pfefferminz?«
    Wahrscheinlich vergiftet. »Nein, danke.«
    Audrey öffnete

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