Land der Schatten: Schicksalsrad (German Edition)
Flachbildschirm an der Wand einen Beistelltisch. Unter dem Fernseher, wo auf gläsernen Regalen unterschiedliche elektronische Geräte standen, leuchtete eine Handvoll Strahler in sämtlichen Regenbogenfarben. Für einen Edger unvorstellbarer Luxus. Erstaunlich, was einen der Sklavenhandel mit Menschenseelen einbrachte.
Ling trottete an der Wand entlang und schnüffelte. Audrey stand still und lauschte.
Hallo Haus .
Das Haus antwortete: das leise Summen elektronischer Geräte, das Flüstern der Klimaanlage, das Brummen des Generators von draußen, das schwache Knacken der Mauern … die Geräusche hüllten sie ein, verschmolzen zu einem leisen weißen Rauschen, dessen Muster sie ihrer Erinnerung hinzufügte. Jeder abweichende Laut, wie schwach auch immer, würde sofort ihren inneren Alarm auslösen.
Audrey durchquerte das Zimmer, ging zur rechten Seite der Bar, wo der Korridor unter einer breiten Treppe tiefer ins Haus hineinführte. Der Tresor befand sich unten. Gastons Informationen hatten ergeben, dass ein Mensch Platz darin finden würde. Die meisten größeren Modelle wogen Tausende Pfund und erforderten eine Verstärkung des Bodens, auf dem sie standen. Der Aufwand, einen so großen und schweren Tresor die Treppe hochzuwuchten, würde jeden in den Wahnsinn treiben. Man würde das Ding nur mit einem Gabelstapler von der Stelle bewegen können. Ein leises Quietschen verriet ihr, dass oben eine Tür aufging. Ihr Verstand arbeitete auf Hochtouren, die Gedanken überschlugen sich. Männerschritte. Sie kamen herunter, schnell, aber nicht eilig oder heimlich – ohne Hast. Aber fest und entschlossen. Ihr Blick blieb an der Bar hängen. Arturo Pena wollte einen Schlummertrunk. So musste es sein.
Audrey ging in die Hocke, presste sich gegen die Außenseite der Bar und stützte sich mit einer Hand auf den Boden. Deckung .
Ling flitzte unters Sofa und legte sich hin. Kaldar ließ sich neben Audrey nieder.
Arturo Pena kam die Stufen herunter. Sie erhaschte einen Blick auf behaarte, gebräunte Beine unter einem kurzen, weißen Morgenmantel und auf die schwarze, nach unten weisende Mündung einer Handfeuerwaffe in seiner Linken. Klickend ging das Licht an.
Einatmen, ausatmen. Immer schön langsam .
Knarrend öffnete sich eine Schranktür. Ein schweres Glas wurde klirrend auf den Marmortresen gestellt.
Einatmen .
Etwas klirrte lauter – wahrscheinlich eine Kristallkaraffe. Mit einem kaum hörbaren Laut wurde der Verschluss geöffnet. Der Geruch von Scotch lag in der Luft, Alkoholdunst mischte sich mit dem unverkennbaren Aroma von Honig.
Ausatmen .
Glas stieß gegen Glas. Arturo nahm einen kräftigen Schluck, atmete aus und knipste beiläufig das Licht aus. Dann stieg er die Treppe hinauf. Im nächsten Moment war er außer Sicht.
Die Tür schlug zu.
Die Waffe hatte er keinen Augenblick losgelassen. So viel zum Thema Paranoia. Sie wartete noch eine Sekunde, dann winkte sie Ling. Der Waschbär tauchte unter dem Sofa auf und huschte in den Korridor. Audrey wartete, doch das Tier kam nicht zurück. Freie Bahn. Sie erhob sich und trat auf den Flur. Wie ein Gespenst erschien Kaldar hinter ihr.
Der Tresor, ein schwarzes Ungetüm, stand hinten in einem kleinen Raum auf der rechten Seite. Sie hockte sich davor. Hallo, alter Freund . TURTLE 60 XX , Super Vault, fast zwei Meter hoch, einen Meter breit, rund achtzig Zentimeter tief, Fassungsvermögen etwa sechs Kubikmeter, Leergewicht 5900 Pfund. Die mehrschichtige Tür war etwa zwanzig Zentimeter dick. Mit einem Bohrer würden sie Stunden brauchen und dabei nur auf eine Platte aus gehärtetem Glas treffen, die das Schloss schützte. Jeder Versuch, es mit einem Werkzeug zu knacken, würde das Glas beschädigen und einen weiteren Schließmechanismus aktivieren. Ein Monstrum von Tresor, die Art, die Diamantenhändler verwendeten.
Audrey berührte die Tür. Drei Schlösser sicherten den Tresor. Ein Kombinationsschloss, die übliche Diebstahlsicherung, sonst nichts Besonderes. Ein Zusatzschloss, ebenfalls ein Riesending. Sie hatte so etwas schon gesehen: Der Schließmechanismus war mit vier Stahlriegeln verbunden, jeder so dick wie ihr Handgelenk. Sie würden das Teil nur mit größter Anstrengung aufbekommen. Und dann noch ein Digitalschloss, ein Extra, das zwar nichts Supertolles konnte, dessen Anzeige aber so klasse aussah, dass sie Pena anscheinend beeindruckt hatte, schließlich hatte er für die Installation ein zusätzliches Sümmchen hingeblättert.
Magie löste
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