Land der Schatten: Schicksalsrad (German Edition)
hier, ich bin gleich zurück.«
Sie schlitterte rückwärts und lief gebeugt nach rechts die Hügelkuppe entlang. Ling folgte ihr. Kaldar sah ihnen nach, bis Gaston ihren Platz einnahm. Seine dunklen Haare hingen ihm in die Augen.
»Wenn du weiter für sie Partei ergreifst statt für mich, werde ich dich enteignen müssen«, brummte Kaldar.
»Ich bin am Boden zerstört.« Gaston täuschte einen Herzanfall vor.
»Genau. Denk immer dran, wessen Rolpies deinen Kahn ziehen.« Der direkte Weg zur Vordertür war eindeutig der bessere. Sie würden niemals ohne Lärm durch die Wehre gelangen. Mit wie vielen Wachen würden sie es wohl zu tun bekommen, falls Audreys brillanter Plan schiefging?
»Onkel?«
»Hm?«
»Arturo Pena. Ein Sklaventreiber. Ein Drecksack.«
»Ja?«
»Warum machen wir ihn nicht einfach kalt?«
Kaldar hielt inne.
Gaston zuckte die Achseln. »Mit unserer Ausrüstung kommen wir locker durch dieses Wehr. Wir gehen rein, bringen ihn um. Sobald seine Leute mitkriegen, dass ihre Geldquelle versiegt ist, sind sie auf und davon.«
»Du hast zu viel Zeit mit dem Wolf verbracht«, sagte Kaldar.
»William hat’s drauf.«
»Kann man wohl sagen.« Das musste mal gesagt werden. »Worin unterscheiden wir uns dann von einem Mörder?«
»Mörder töten aus Leidenschaft oder für Geld. Wir töten für unser Land.«
Kaldar schüttelte den Kopf. »Wir töten für die Sicherheit unserer Leute. Land klingt irgendwie gut, trifft aber nicht den Kern der Sache. Familien, Gaston, unsere Familie, deine Brüder, Cousinen, Onkel, Tanten, deine Großmutter. Wir machen das, damit sie nachts ruhig schlafen können, sich mit ihren Alltagsproblemen befassen und auf der Veranda leckeren Wein trinken können, während ihre Kinder im Gras herumtollen.«
Gaston grinste dreckig. »Ich hatte ja keine Ahnung von deiner edlen Einfalt und stillen Größe.«
»Von wegen. Sag mir, was du vom Leben erwartest.«
»Rache für unsere Familie.«
»Und dann?«
Der Junge zuckte abermals die Achseln. »Keine Ahnung.«
»Meinst du nicht, dass du am Ende lieber so sein möchtest wie die Menschen, die wir beschützen, und eine Familie gründen willst?«
»Klar.«
»Warum heiratest du kein nettes Mädchen, zu dem du heimkommen und mit dem du Kinder in die Welt setzen kannst?«
»Ja, das wäre bestimmt super.«
»Wenn du es zulässt, wird dir dieser Job das letzte bisschen Menschlichkeit aus der Seele brennen, dich auffressen und nur noch eine leere Hülle übrig lassen. Und wenn du nicht aufpasst, bist du am Ende verlassen wie ein leerer Sarg. Kein nettes Mädchen, das dich heiratet, kein Zuhause, keine Liebe, keine Freude, nichts.« Kaldar machte eine Pause, um sicherzugehen, dass seine Worte verfingen. »Du kennst doch die alten Agenten des Spiegels. An ihrer Brust klimpern genug Orden für eine Einmannmarschkapelle. Aber ihre Augen sind tot. So willst du bestimmt nicht enden.«
»Aber die wissen am Ende des Tages, dass sie ihre Pflicht erfüllt haben.«
»Diese Genugtuung wärmt ihnen nachts bestimmt nicht die Füße. Und ein Ersatz für ein Leben mit reinem Gewissen ist sie auch nicht.« Kaldar wies auf das Haus. »Ich will, dass du jedes Mal, wenn du in solch eine Lage gerätst, an unsere Familie denkst. Wenn dich einer von uns fragt, wieso du getötet, Menschen zum Krüppel gemacht oder jemanden gefoltert hast, solltest du mit gutem Gewissen antworten können: Weil es nicht anders ging.«
»William …«
»William hat Cerise«, sagte Kaldar. »Sie ist launisch, und sie kann töten, aber sie ist auch freundlich und mitfühlend. Cerise strebt bei allem nach Harmonie. Und William hört auf sie, weil sie etwas hat, das ihm abgeht. Er kann nichts dafür, die Adrianglianer haben alles darangesetzt, jegliches Menschliche abzutöten, das in seiner Kindheit mal in ihm gewesen sein mag. Doch selbst er hat Grenzen, die er nie überschreitet. Ich habe mit eigenen Augen gesehen, wie er ohne Rücksicht auf sein eigenes Leben über offenes Gelände auf die Gewehre und Bögen des Feindes zugestürmt ist, um Lark zu retten.«
»Das war was anderes. Lark ist noch ein Kind.«
»Weißt du mit Sicherheit, ob in dem Haus da keine Kinder sind? Weißt du, ob eines davon nicht herausgelaufen kommt und ins Kreuzfeuer gerät? Bist du bereit, Pena vor den Augen seiner Familie zu töten?«
Gaston öffnete und schloss den Mund.
»Du darfst niemals deine Menschlichkeit verlieren, Neffe, denn nur dann kannst du als glücklicher Mann nach Hause kommen
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