Land der Sehnsucht (German Edition)
hier draußen und habe nach ihr geschaut. Ich konnte sie nicht finden, und da wusste ich es.“
Die Stute warf den Kopf zurück. Ihr Körper erschauerte. Ihr braunes Fell war schweißgebadet und glänzte in der Nachmittagssonne.
Jack rieb mit der Hand in ruhigen, festen Bewegungen über ihre Hüften und flüsterte ihr etwas zu.
„Danke, dass Sie angehalten haben.“ Thomas zog ein Taschentuch aus seiner Hosentasche und wischte sich die Stirn ab. „Auch wenn ich das schon oft erlebt habe, wird es nie langweilig.“
Jack verstand, was er meinte. „Es ist, als helfe man Gott bei einem Wunder.“
„Claire und ich …“ Stewartson brach ab. „Wir versuchen schon eine Weile, Kinder zu bekommen. Ich denke immer wieder, dass es schon passieren wird. Aber bis jetzt tut sich nichts.“
„Das kommt schon noch. Manchmal dauert es einfach eine Weile und man muss es weiter versuchen.“ Jack dachte an die Nacht zurück, in der Aaron geboren wurde, und daran, wie glücklich er und Mary gewesen waren. Er war so dankbar gewesen, dass sie nur kurz Wehen gehabt hatte und dass ihr Sohn gesund zur Welt gekommen war.
„Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich habe nichts gegen das Versuchen.“ Stewartson schaute ihn an und beide lächelten. „Aber zu sehen, wie Claire sich immer wieder Hoffnungen macht und dann nichts passiert, macht es so schwer. Sind Sie verheiratet, Jack?“
„Ich war verheiratet. Vor vielen Jahren. Ich habe meine Frau und meinen Sohn bei einem Unfall auf unserem Weg in den Westen verloren.“
Einen Moment lang sagte Stewartson nichts. „Es … es tut mir leid, dass das passiert ist.“
„Danke.“ Jack bewegte langsam eine Hand über die Blumen, die neben ihm wuchsen. „Aaron, unser Sohn, wäre in diesem Jahr sechzehn geworden.“ Er lachte leise. „Es ist schwer vorstellbar, dass ich einen sechzehnjährigen Sohn hätte. Wenn ich es mir recht überlege, war ich nicht viel älter, als ich heiratete.“ Er warf Stewartson einen lächelnden Blick zu. „Danke, dass Sie mir das Gefühl geben, ein alter Mann zu sein.“
Stewartson zuckte mit den Achseln, als wollte er sagen, dass das nicht seine Schuld sei.
Ein Gedanke kam Jack in den Sinn. Etwas, an das er sehr lange nicht mehr gedacht hatte. Hatte Gott Aaron so jung zu sich geholt, weil er wusste, dass Jack dem Jungen kein guter Vater gewesen wäre? Noch während diese Frage versuchte Wurzeln in seinem Kopf zu schlagen, wehrte sich Jack dagegen. Wieder einmal.
Jahrelang hatte er versucht, das Warum hinter Marys und Aarons Tod zu begreifen. Aber allmählich hatte er gelernt zu akzeptieren, dass er es vielleicht nie erfahren würde. Seltsam, je älter er wurde – obwohl er glaubte, dass er noch viele gute Jahre vor sich hatte –, umso weniger konnte dieses Leben ihn fesseln. Vielleicht war es das Alter, das einen Menschen so veränderte. Oder vielleicht war es Gott, der ihn auf alles vorbereitete, was auf der andere Seite auf ihn wartete.
Der Tod bedeutete für ihn einen neuen Anfang, kein Ende. Er hatte gelernt, ihn als Teil seines Weges mit Gott und zu Gott zu sehen.
„Wissen Sie, Jack, falls Sie je …“
Die Stute wieherte laut, und ein tiefes Stöhnen folgte.
Jack kniete nieder, um das Tier noch einmal zu untersuchen. Dann atmete er laut aus. „Stewartson, es sieht so aus, als ginge es los.“
Kapitel 26
„ Noch ein Hügel?“ Lillys Augen funkelten.
„Gern, wenn du möchtest.“ Véronique atmete tief ein und genoss den Duft des Frühlings. „Aber ich will nicht, dass du dich überanstrengst.“
Lilly blieb oben auf dem Hügel stehen. „Mir geht es gut. Heute tut es nicht zu sehr weh.“ Sie deutete nach rechts. „Gehen wir in diese Richtung. Dann kommen wir auf die untere Weide und kehren von der anderen Seite zum Haus zurück. Da drüben gibt es eine große Wiese mit Akeleien. Ich habe sie gesehen, als wir daran vorbeifuhren. Übrigens: Sie haben sich bei Ihrer ersten Fahrstunde sehr gut gemacht, Mademoiselle Girard.“
Véronique machte einen kurzen Knicks. „Merci beaucoup, Mademoiselle Carlson. Ich hatte aber auch eine sehr gute Lehrerin.“ Sie passte gut auf, wohin sie trat, so wie Lilly es ihr vorher geraten hatte. Sie und Christophe waren abends oft auf der Wiese hinter den Ställen der Marchands spazieren gegangen, deshalb war sie das gewohnt. Aber so schön Monsieur Marchands Ställe und Pferde auch waren, so waren sie doch nicht mit Casaroja zu vergleichen.
„Darf ich Ihnen eine Frage stellen, Mademoiselle
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