Land der Sehnsucht (German Edition)
gegen die Stute und schaffte es, sie unten zu halten. Sofort war Thomas da. Er legte sein ganzes Gewicht auf das Pferd und drückte es wieder auf die Erde. Dann atmete er erschöpft aus.
Véronique trat vor, aber er hielt sie mit seinem Blick auf Abstand.
„Madam, warten Sie doch einfach da drüben. Ich habe genug zu tun und möchte mir nicht noch Sorgen um Sie machen müssen.“
Véronique war es nicht gewohnt, dass jemand so mit ihr sprach, und dann auch noch ein Mann in Stewarts Stellung. Sie wich zurück. Ihr Brustkorb schnürte sich zusammen. Sie warf einen Blick auf Lilly, die sie schwach anlächelte.
„Véronique, kannst du mir hier unten helfen?“ Trotz seines angespannten Gesichts war Jacks Stimme überraschend ruhig. „Kannst du mir dieses Tuch bringen?“
Sie hielt den Blick gesenkt, um Stewartson nicht mehr anschauen zu müssen, während sie tat, worum Jack sie bat. Er wischte sich die Hände und Arme ab, bevor er das Tuch wieder beiseitelegte.
Sie ging neben ihm in die Hocke und sah einen Kopf und ein Paar Beine aus dem hinteren Ende der Stute ragen, die in einer Art milchig weißem Sack steckten. Das Fohlen zappelte, die Stute wand sich, und Véronique fühlte, wie ihr die Luft wegblieb.
Jack warf ihr einen prüfenden, besorgten Blick zu. „Du hast so etwas noch nie gesehen?“
Sie schüttelte den Kopf. „Aber ich verspreche, dass ich mich nicht übergeben werde.“
Er lächelte sie kurz an, dann konzentrierte er seine Aufmerksamkeit wieder auf die Stute. „Die Schultern stecken im Geburtskanal fest.“ Er deutete mit der Hand. „Das Fohlen steckt immer noch in der Fruchtblase, aber siehst du, wie die Unterbeine jetzt genau nebeneinander liegen?“
Sie beugte sich näher vor.
„Normalerweise kommt ein Bein vor dem anderen heraus, und dadurch kommen auch die Schultern nacheinander. Aber diese junge Mutter braucht Hilfe. Wir ziehen nur, wenn sie presst. Sonst hört sie möglicherweise mit dem Pressen auf, und das wollen wir nicht.“
Die Stute wieherte. Die Muskeln an ihrem großen Unterleib zitterten.
Jack hob den Kopf. „Sind Sie bereit, Stewartson?“
„Ja.“
Jack packte das Fohlen direkt über den Fesseln und zog es nach unten.
Während Véronique zuschaute, musste sie unwillkürlich an die vielen Male zurückdenken, als das Gut von Monsieur Marchand neue Fohlen bekommen hatte. Die Fohlen waren ganz in der Nähe des Hauses, in dem sie gewohnt hatte, zur Welt gekommen. Und doch durfte sie nie bei einer der Geburten dabei sein. In diesem Moment fühlte sie sich seltsam betrogen.
Jack ließ los und holte Luft. „Noch einmal, dann müssten wir es geschafft haben, Stewartson.“
Das Fohlen wand sich, und Véronique entdeckte einen winzigen Riss, der sich in der Fruchtblase um den Kopf des Fohlens abzuzeichnen begann. Das Fohlen musste es auch spüren, denn es zappelte noch kräftiger.
Jack begann wieder zu ziehen und das Fohlen rutschte ein paar weitere Zentimeter heraus. Als er gerade zum dritten Mal ziehen wollte, wieherte die Stute und presste das Fohlen endlich ganz heraus.
Véronique kniete nieder und sah wortlos zu. Tränen brannten in ihren Augen.
Sie war noch nie zuvor so nahe dabei gewesen, wenn ein Leben in diese Welt hineingeboren worden war. Sie dachte an ihre Mutter und fragte sich, was Arianne Elizabeth Girard wohl sagen würde, wenn der Himmel ihr für einen Moment den Blick freigäbe. Wenn sie ihre einzige Tochter jetzt sehen könnte, wie sie in einem schmutzigen Seidenkleid auf einer Weide mitten im Colorado-Territorium kniete und miterlebte, wie ein Fohlen geboren wurde.
Thomas und Lilly kamen zu ihnen, und auf Thomas’ Anweisung hin standen sie alle auf, traten zurück und schauten zu, wie das Neugeborene sich aus der Fruchtblase befreite.
Nach einem Moment wandte sich Thomas an Vèronique. „Miss Girard, entschuldigen Sie, dass ich gerade so mit Ihnen gesprochen habe, Madam. Aber wenn das Leben einer Stute auf dem Spiel steht, kann ich ein wenig schroff werden.“
„Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen, Monsieur Stewartson. Ich war in dieser Situation der Neuling und hatte keine Ahnung. Ich bin Ihnen sehr dankbar, dass ich das miterleben durfte.“
Seine Miene wurde weicher. „Es ist ein aufregendes Erlebnis, nicht wahr?“
„Oui.“ Ihre Kehle schnürte sich zusammen. „Das ist es.“
Nach einer Weile brachten Thomas und Jack die Stute und ihr Neugeborenes in eine Box im Stall. Voll Bewunderung schaute Véronique Thomas, Jack und Lilly
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