Land der Sehnsucht (German Edition)
gern nachgefragt, wagte es aber nicht. Lilly öffnete die Tür und bedeutete Véronique mit einer freundlichen Handbewegung, als Erste einzutreten.
Mit seinem hellen gelben Blumenmuster mit roten und grünen Untermalungen war das Zimmer sehr einladend, obwohl es höchstens ein Drittel der Größe ihrer Privatgemächer im Haus der Marchands hatte. Aber es würde vorerst genügen, bis sie eine passendere Unterkunft fände. Véronique seufzte und streckte ihre Schultern. Sie war sowohl müde als auch hoffnungsvoll, und sehr dankbar, dass sie endlich in Willow Springs angekommen war und den ersten Teil ihrer Reise hinter sich hatte.
„Das ist das einzige Zimmer im Hotel, das ein Doppelfenster hat.“ Lilly durchquerte das gemütliche Zimmer, schob das Fenster nach oben und öffnete die Läden zur Hälfte. „Kommen Sie und genießen Sie den Ausblick.“
Véronique rührte sich nicht vom Fleck. „Ja, ich bin sicher, dass es einen herrlichen Ausblick bietet. Vielleicht schaue ich ihn mir ein anderes Mal an. Im Moment bin ich aber ziemlich müde.“
„Oh … natürlich. Entschuldigen Sie.“
Véronique bedauerte die Entschuldigung, die sie in der Stimme des Mädchens hörte, und versuchte, ihre ablehnende Antwort abzumildern. „Danke, Lilly, dass du mir einen so freundlichen Empfang bereitest. Deine Freundlichkeit hilft mir, mich nicht so weit weg von zu Hause zu fühlen.“
„Und … wo sind Sie zu Hause?“
„In Frankreich. Ich wurde in Paris geboren. Und ich habe mein ganzes Leben dort verbracht.“ Véronique fuhr mit der Hand über die einfache Quiltdecke, die das Bett bedeckte. „Bis jetzt“, fügte sie leise hinzu.
Ein verwunderter Blick und unzählige Fragen traten in Lillys Augen. Aber sie musste dem Mädchen zugutehalten, dass sie ihre Fragen nicht laut aussprach.
Véronique schaute das Mädchen an, das wieder zur Tür ging. Sie war nicht nur klug, sie war auch einfühlsam. So viel Intelligenz und Schönheit bei einem so jungen Mädchen waren selten. Doch Véronique spürte auch eine Empfindsamkeit, die das Mädchen die meiste Zeit gut versteckte. Und wofür sparte das Mädchen Geld? Lilly hätte es ihr unten in der Lobby fast verraten. Vielleicht für einen neuen Hut oder ein Kleid. Lauter Nettigkeiten, die ein Mädchen in ihrem Alter sich wünschen durfte.
Véronique legte ihren Schirm ab und holte einige Münzen aus ihrer Handtasche. „Das ist für dich, Lilly.“
Lilly starrte ihre ausgestreckte Hand an. „Oh nein, Madam. Sie müssen nicht …“
Véronique nahm sich die Freiheit, ihr die Münzen in die Hand zu drücken. „Eine gute Angestellte ist einen anständigen Lohn wert, weißt du noch?“
Lilly schaute das Geld an und nickte dann scheu. „Danke, Mademoiselle Girard. Vielen Dank.“ Sie hatte die Hand schon auf dem Türgriff, blieb aber noch einmal stehen. „Ich klopfe an Ihre Tür, sobald Ihr Badewasser fertig ist. Es dauert bestimmt nicht lange, und das Badezimmer ist nur zwei Türen weiter.“
Véronique ließ ihren Blick durch das Zimmer wandern und stellte erst jetzt fest, dass es kein eigenes Badezimmer besaß. Sie erinnerte sich an Lillys Bemerkung, dass dies das schönste Zimmer im Hotel sei, und dachte an die Behinderung des Mädchens und verbarg deshalb, was sie bei der Aussicht auf ein Badezimmer auf dem Gang fühlte. Sie bedankte sich höflich, während Lilly die Tür hinter sich schloss.
Véronique knöpfte ihre Jacke auf und wollte sie schon in den Schrank hängen, als sie den Staub bemerkte, der darauf lag. Während sie die Jacke so gut sie konnte ausschüttelte, fiel ihr Blick in den Spiegel. Ihre Haare saßen immer noch ordentlich. Nur ein paar Locken hatten sich aus ihrer Frisur befreit, aber etwas anderes an ihrem Spiegelbild ließ sie innehalten.
Sie trat näher an den Spiegel heran und erkannte, was es war.
Meine Augen.
Sie hatten eine rauchig braune Farbe und wirkten trüb und leblos. Sie dachte an Lillys veilchenblaue Augen und ihr Strahlen und verglich sie mit ihren eigenen Augen. Das Mädchen hatte genau die Augenfarbe, die Véronique sich ausgesucht hätte, wenn der Schöpfer ihr die Auswahl überlassen hätte.
Mit einem Seufzen wandte sie sich ab und zog die letzten Haarnadeln aus ihrer Frisur. Ihre Haare fielen über ihren Rücken. Sie massierte sich den Nacken und die Schultern. Diese Reise öffnete ihr in vielerlei Hinsicht die Augen und war in mancherlei Hinsicht demütigend.
Die Stelle im Haus von Monsieur Marchand hatte ihr und ihrer
Weitere Kostenlose Bücher