Land der Sehnsucht (German Edition)
verflocht er seine Finger mit ihren und genoss dieses Gefühl.
Ein warmer Wind bewegte die goldgrauen Stiele des Präriegrases, das auf beiden Seiten der Straße wuchs. Jack zählte die Zaunpfosten, an denen sie vorüberfuhren, und betete für Véronique. Er war bis zweiundzwanzig gekommen, als sie das Schweigen brach.
„Jack, ich muss dir etwas sagen.“
Er verlangsamte den Wagen, aber sie schüttelte den Kopf. „Nein, bitte fahr weiter. Das ist mir lieber.“
In Wirklichkeit war es ihr lieber, dass er sie nicht ansah. Dabei schaute er sie bei jeder sich bietenden Gelegenheit nur allzu gerne an. Aber er verstand ihre Bitte und ließ die Zügel leicht schnalzen.
„Vernie, bevor du weitersprichst, muss ich dir sagen, dass ich weiß, was am Samstag im Kolonialwarenladen passiert ist.“ Er sah ihren fragenden Blick. „Ich war heute in der Bäckerei, um … um etwas abzuholen, und Mrs Rawlings hat es mir erzählt. Warum bist du heute Früh nicht zu mir gekommen und hast es mir erzählt?“
Sie schaute ihn an, als wäre seine Frage ganz und gar abwegig. „Ich bin aus demselben Grund nicht zu dir gekommen, aus dem du nicht begeistert warst, als ich dir sagte, dass ich dein Gespräch mit Monsieur Hochstetler gehört habe. Das ist doch nicht schwer zu verstehen, oder?“
Ihre unverblümte Antwort ließ ihn etwas erröten. Trotzdem lag nicht die geringste Spur von Sarkasmus in ihrer Stimme. Für diese Frau war es genauso selbstverständlich, die Wahrheit zu sagen, wie zu atmen. Er konnte sich sein Lächeln nicht verkneifen. „Wenn ich mich richtig erinnere, wäre das Wort touché hier angebracht.“
„Oui, ich habe gehört, dass es in diesem Land so benutzt wird.“ Sie lächelte kurz und entzog ihm sanft ihre Hand. „Das Erlebnis am Samstag im Kolonialwarenladen war sehr unangenehm. Aber … das, was nach der Auseinandersetzung mit Madame Hochstetler passierte, war für mich noch viel schmerzlicher.“
In ihm regte sich der starke Wunsch, sie zu beschützen, aber er blieb still. Offensichtlich hatte Mrs Rawlings diesen Teil der Geschichte nicht mitbekommen.
„Nachdem ich den Kolonialwarenladen verließ, ging ich zu Monsieur Gunter. Mein Konto bei seiner Bank ist stark überzogen, und es kommen keine Überweisungen mehr aus Frankreich.“ Sie ließ den Kopf hängen und atmete tief aus. „Aber die schlimmste Nachricht ist … dass Monsieur Marchand, mein früherer Arbeitgeber, gestorben ist. Ich weiß keine Einzelheiten, aber ich bin sicher, dass ich irgendwann von Christophe einen Brief bekomme. Wenigstens hoffe ich das.“
Sie blickte vor sich auf die Straße, während sie weitersprach, und Jack spürte, dass ihr jedes Wort sehr schwerfiel. Der Schmerz in ihrer Stimme erinnerte ihn daran, wie verloren er sich nach Marys und Aarons Tod gefühlt hatte. Als triebe er auf dem Meer herum und hätte keine Hoffnung, je wieder festen Boden unter den Füßen zu finden.
Er zählte schnell zwei und zwei zusammen. Aus seinem Gespräch mit Lilly wusste er, dass Véronique den Carlsons noch nichts von ihrer veränderten finanziellen Situation gesagt hatte. Das musste schwer auf ihr lasten.
Die Abzweigung nach Casaroja kam früher als erwartet und er zog an den Zügeln, um das Tempo der Percheronpferde zu drosseln.
„Ich wollte Monsieur Gunter das Bargeld geben, das ich noch hatte, aber er nahm es nicht.“ Ihr Lachen klang hohl. „Es reichte bei Weitem nicht an die Summe heran, über die ich Wechsel ausgeschrieben habe. Ich habe am Donnerstag einen Termin mit ihm, um zu besprechen, wie wir weiter vorgehen. Ich habe seinen Rat befolgt und mit allen, denen ich Geld schulde, gesprochen, bis auf Madame Hochstetler und Lilly und ihre Eltern. Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie groß ihre Enttäuschung sein wird. Sowohl was die veränderten Umstände angeht …“ Sie brach ab. „Als auch die Veränderungen bei mir“, fügte sie in einem heiseren Flüstern hinzu.
Er suchte nach etwas, das er sagen konnte, aber ihm fiel nichts Passendes ein. In der Ferne sah er mindestens zwanzig Wagen, die vor dem Haupthaus und am Zaun zur Weide standen. Um zu sehen, ob Véronique das bemerkte, warf er einen verstohlenen Blick neben sich, stellte aber fest, dass sie den Kopf gesenkt hatte.
Obwohl sie noch ein Stück entfernt waren, hielt er den Wagen an und legte die Bremse ein.
Sie blickte auf.
Er rutschte näher zu ihr heran. „Ich weiß, dass das jetzt nicht viel ändert, Véronique, aber … ich wünschte, ich wäre bei
Weitere Kostenlose Bücher