Land der wilden Sehnsucht
weiter verwunderlich. Hilary war bei ihren Verwandten nicht beliebt. Das Einzige, was sie ihr positiv anrechneten, war die Entscheidung, meinen Vater zu heiraten.“
Sienna hatte dem nichts entgegenzusetzen. „Wir können uns unsere Eltern zwar nicht aussuchen“, sagte sie, „aber unser Leben selbst gestalten.“
„Das ist nicht so leicht, wenn man schwierige Erbanlagen mitbekommen hat. Die sind doch entscheidend, Sienna. Das sollte man sich klarmachen, ehe man heiratet.“
„Trägst du dich denn mit dem Gedanken, dich demnächst zu binden? Joanne hat mir drei mögliche Kandidatinnen genannt.“
„Jeder will mich verkuppeln“, protestierte Blaine. „Sogar Joanne. Dabei denke ich zurzeit nicht im Traum daran.“
„Wer so viel weiterzugeben hat wie du, braucht einen Erben.“
„Willst du mich provozieren?“, fragte er und sah sie durchdringend an.
„Ist das denn möglich?“
„Vorsicht, Sienna“, warnte er. „Wag dich nicht zu weit vor.“
„Und was würde dann passieren?“, fragte sie mit leichtem Spott und wandte sich zur Tür. In ihrem kurzen, mit roten und gelben Mohnblüten bedruckten Kleid sah sie hinreißend aus, wie Blaine etwas unwillig bemerkte. „Das Porträt deiner schönen Mutter ist wirklich einzigartig, aber ich würde jetzt gern den Rest deiner Wohnung sehen.“
Das Esszimmer war für acht Personen eingerichtet. Um den polierten Tisch waren sechs spanische Stühle und zwei geschnitzte Lehnstühle angeordnet. Die Wände waren orangefarben gestrichen, rechts und links von der Glastür, die in den Garten führte, hingen zwei Gemälde von einheimischen Künstlern. Auf jedem war ein feuriger Sonnenuntergang dargestellt, der sich im Wasser einer Lagune, deren Ufer dicht mit Spinifexgras bewachsen war, spiegelte. In der Ferne erhob sich ein leuchtend blauer Tafelberg von mäßiger Höhe.
An der gegenüberliegenden Wand, über dem schmalen Sideboard, befand sich eine Wüstenlandschaft mit roten Sanddünen.
Den Schluss der Besichtigungstour bildete das Schlafzimmer, das Blaine zurzeit nicht benutzte.
„Die Nächte können im Outback bitterkalt werden“, erklärte er, als Sienna sich über den gemauerten Kamin wunderte. Auch hier gab es ein prächtiges von einem Aborigine geschaffenes Gemälde – diesmal in verschiedenen Blautönen, mit fliegenden Vögeln als Motiv.
Das breite, maßgefertigte Bett mit jeweils einem Nachttisch aus Holz an jeder Seite hatte ein geschnitztes Kopfende.
„Eine indonesische Arbeit“, erklärte Blaine.
Auf einer kostbaren Truhe am Fußende standen mehrere exotische Objekte – darunter ein besonders schöner, mit Silberplättchen verzierter Buddhakopf aus Kambodscha. Zweifellos hatte Blaine alles von seinen Reisen mitgebracht.
„Kaum zu glauben, dass ein Rancher so viel Sinn für schöne Dinge hat“, sagte Sienna, die jede Sekunde etwas Neues entdeckte.
„Ich lebe mit dem, was ich sammle. Möchtest du auch einen Blick in das Ankleide- und das Badezimmer werfen?“
„Selbstverständlich.“ Der Ankleideraum lag zwischen Schlafzimmer und Bad und verblüffte Sienna durch die vielfältige und reichhaltige Garderobe. „Wann trägst du das bloß alles?“, fragte sie und wies auf die beiden Reihen maßgeschneiderter Anzüge. In kunstvoll gearbeiteten Wäscheschränken stapelten sich auf der einen Seite Frack- und Smokinghemden, auf der anderen Busch- und Freizeithemden.
„Ich führe ein Doppelleben“, gestand Blaine. „Katajangga und die Rinderzucht sind heute nur noch ein Teil des Familienunternehmens. Wir sind auch am Bergbau beteiligt, handeln mit Immobilien und besitzen Weingärten. Schon mein Großvater erkannte die Notwendigkeit, in verschiedene Wirtschaftszweige zu investieren.“
„Dann bist du oft geschäftlich in der Stadt?“
„Ja. Ein tüchtiger Geschäftsführer, Zack Mangan, erleichtert mir die Arbeit. Du wirst ihn kennenlernen, sobald es wieder ruhiger geworden ist. Er ist mit Gail verheiratet und hat zwei Söhne, die in Brisbane ein Internat besuchen. Wir geben die Kinder mit zehn Jahren weg, damit sie eine gute Ausbildung erhalten. Ich wurde zum Beispiel in einem traditionsreichen Internat in Melbourne erzogen … wie schon mein Vater und Großvater. Meine Söhne, es werden hoffentlich mehrere sein, sollen auch dorthin kommen.“
„Wünschst du dir keine weiblichen Nachkommen?“, fragte Sienna leicht irritiert.
„O doch“, beteuerte er und strich ihr über die Wange. „Wer wünscht sich keine Tochter, die so
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