Land der wilden Sehnsucht
Halbbruder“, verbesserte Amanda sie. „Die beiden könnten nicht verschiedener sein.“
„Kommst du später zum Essen herunter? Ich würde es dir raten.“
„Auf keinen Fall!“ Amanda schüttelte heftig den Kopf. „Hältst du es für möglich, dass Mark etwas mit dem Unfall seines Vaters zu tun hatte?“
Sienna sah sie fassungslos an. „Wie kommst du denn darauf?“
„Sonst warst du doch immer die Superschlaue!“, höhnte Amanda. „Ist dir nie aufgefallen, dass Mark nur auf Blaine fixiert war, während er sich über seinen Vater ausschwieg? Ich werde den Verdacht nicht los, dass er irgendeine Dummheit begangen hat … eine Kurzschlusshandlung. Du weißt ja, wie schnell er in die Luft gehen konnte. Vielleicht hat er den Unfall seines Vaters sogar verschuldet … nicht unbedingt absichtlich, aber in seiner hitzigen Art … So hat er doch auch seinen eigenen Tod herbeigeführt.“
Bei den letzten Worten überlief es Sienna eiskalt. „Das werden wir nie erfahren, Mandy.“
„Also noch so ein großes, dunkles Geheimnis!“
„Was nützt es, sich in Vermutungen zu ergehen? Er ist tot.“
„Und hat nie die Frau bekommen, nach der er verrückt war.“
„Ich verstehe dich immer weniger, Mandy.“ Sienna wurde langsam ungeduldig. „Empfindest du denn gar nichts mehr für Mark?“
„Du ahnst ja nicht, wie schwer es für mich war!“, rief Amanda, und ihre Augen blitzten. „Wenn er mit mir schlief, dachte er an dich!“
Sienna wollte plötzlich nur noch das Zimmer verlassen. „Weißt du eigentlich, wie gemein das klingt?“, fragte sie. „Ich rate dir, dich morgen besser zu benehmen, wenn Blaine mit dir spricht. Du bist doch sonst eine so gute Schauspielerin. Vergiss nicht, dass du die Rolle der trauernden Witwe zu spielen hast.“
„Bin ich das denn nicht?“ Amanda drehte sich auf die Seite. „Sag der Wirtschafterin, dass ich mir Hühnchen zum Essen wünsche … mit einer Flasche Weißwein. Und danach vielleicht Vanilleeis. Ich behalte kaum etwas bei mir“, setzte sie lamentierend hinzu. „Warum hast du mich bloß überredet, hierherzukommen?“
„Das habe ich nicht getan“, widersprach Sienna betont ruhig. „Du bist allein hergereist, um eine beträchtliche Geldsumme zu kassieren.“
„Dann hätte ich endlich einmal mehr als du. Ärgert dich das?“
„Denk, was du willst.“
Sienna ging hinaus und schloss hinter sich die Tür. Zum ersten Mal wurde ihr klar, dass Amanda sie aus tiefstem Herzen hasste. Das tat bitterweh.
10. KAPITEL
Zum Mittagessen erschienen nur zwei Personen. Hilary hatte auf Anraten ihres Arztes eine Beruhigungstablette eingenommen, und Marcia war mit den Barretts nach Ettamunga gefahren, wo sie inzwischen gut angekommen war.
„Mum braucht mich nicht“, hatte sie am Telefon geklagt, ohne bei Blaine auf Widerspruch zu stoßen, denn sie sagte damit nur die Wahrheit. „Ich konnte es ihr ansehen. Sie möchte auf ihre Art um Mark trauern. Sie wird ihn nie so sehen, wie er wirklich war. Er ist und bleibt ihr Liebling. Wenn du nicht wärst, Blaine … Ich weiß nicht, was ich tun würde.“
Blaine hatte das Gespräch mit dem festen Vorsatz beendet, Marcias Situation zu verbessern. Er würde den Senator bitten, sie für eine Weile bei sich aufzunehmen. Wenn es ihr in Sydney gefiel, würde er ihr ein Apartment kaufen – möglichst nah bei den Verwandten. Marcia hatte eine hervorragende Schulausbildung genossen. Es war an der Zeit, dass sie sich für einen Beruf entschied und selbstständig wurde.
Für Hilary musste eine andere Lösung gefunden werden. In ihrer eigenen Familie war sie unerwünscht. Man hatte sie als Belastung empfunden und war überrascht und hocherfreut gewesen, als Desmond Kilcullen sie geheiratet hatte.
Mit einem Anflug von Wehmut musste sich Blaine eingestehen, dass Hilary auch danach nicht glücklich geworden war. Es war falsch, sich im Leben nur passiv zu verhalten. Man musste etwas wagen – das galt für Hilary ebenso wie für Marcia.
Da weder Blaine noch Sienna in den letzten Tagen großen Appetit gezeigt hatten, servierte ihnen Magda jetzt nur dünn aufgeschnittenen Kochschinken mit Salat. Dazu tranken sie eine Flasche Rotwein. Auf Nachtisch verzichteten sie, dafür überraschte Magda sie zum Kaffee mit frisch gebackenen Erdnusskeksen.
„Wirst du morgen früh mit Amanda sprechen?“, fragte Sienna, als sie später gemütlich vor dem großen Kamin saßen.
Blaine nahm sich einen von Magdas Keksen. „Meinst du über das
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