Land meiner Träume collin1
trösten. »Ich wünschte nur, ich wär nah genug dran gewesen, um dir zu helfen.« Ich bin froh, dass du’s nicht warst, dachte Tom. Er saß, den Kopf auf die Arme gestützt, am Küchentisch und schluchzte. »Ich hab sie nicht immer richtig behandelt, und jetzt ist sie mir weggenommen worden. Ich werd für meine Sünden bestraft.« »Ich bete für euch beide«, sagte Joanna, »für Millys Seele und dafür, dass der Herr dir Trost gibt und die Last der Schuld, die du trägst, erleichtert.« Damit setzte sie sich ihm gegenüber an den Tisch, nahm seine Hände und betete. Der Rest der Familie stand respektvoll schweigend um sie herum. Tom sprach ihr »Amen« nach und dankte ihr für ihre Gebete. Na, die hab ich aber alle hübsch zum Narren gehalten, dachte er. Niemand wird je erfahren, dass ich mir Milly vom Hals geschafft habe. Ich kann den trauernden Ehemann spielen und mir damit Joannas Mitleid sichern. Sie hat mich schon immer gemocht. Mit Joanna und den Heilbuths auf meiner Seite werde ich Meggan gewinnen. Ich kann auch auf ihr Mitgefühl spekulieren. Ich überzeuge sie davon, dass der Schock, Milly zu verlieren, einen besseren Menschen aus mir gemacht hat. Er senkte den Kopf wieder auf die Arme, um seine Gedanken zu verbergen, und dankte der Vorsehung für die plötzliche Flut. Jetzt, da er Geld hatte, konnte er Meggan ein anständiges Zuhause bieten. In Millys Dose waren fast hundert Pfund. Die Schlampe musste jeden Tag auf dem Rücken verbracht haben, um so viel zur Seite legen zu können. Er hatte schnell begriffen, warum Milly das Silber gespart hatte. Nun, jetzt hatte sie ihn verlassen, wenn auch nicht auf die Art, wie sie es vorgehabt hatte.
Als am Montagmorgen die Dämmerung hereinbrach, boten die durchnässten Bachbewohner, die mit ihren gleichermaßen durchnässten Besitztümern oben auf der Böschung hockten, einen jämmerlichen Anblick. Es fiel immer noch ein leichter Regen, und durch etliche Läden lief immer noch knöcheltief das Wasser. Da die mächtige Welle, die dem Zusammenbruch der Hauptbrücke gefolgt war, auch alle anderen Brücken über den Bach weggespült hatte, gab es keine Möglichkeit, den Menschen am anderen Ufer zu helfen. Als das Wasser im Laufe des Tages sank, machten sich die Leute auf den Weg in die Stadt. Sowohl die methodistische Kirche als auch der Speisesaal der Schule waren geöffnet worden, um den Wohnungslosen Obdach zu gewähren. Joanna Collins war unter den vielen, die herbeieilten, um zu helfen. Wenn die Menschen ihr für ihre Güte dankten, erwiderte sie nur: »Danken Sie dem Herrn.« Während die Stadt noch mit dem Durcheinander kämpfte, konnte die Arbeit in der Grube wie gewohnt weitergehen. Trotz der vom Himmel gestürzten Wassermassen war die Grube praktisch unbeschadet davongekommen. Selbst die aus ihren Wohnungen vertriebenen Bergleute erschienen zur Arbeit. Viele hatten den in ihren Hütten gut versteckten Spargroschen verloren. Ohne Heim und ohne Geld konnte kein Mann es sich leisten, einen Tag in der Grube zu vers?umen. Tom trat mit dem jungen Tommy Collins seine Schicht an. »Was bringt’s, nichts zu tun?«, fragte er Will. »Ein Mann geht besser zur Arbeit, als herumzusitzen und zu grübeln.« »Du hast recht«, stimmte Will ihm zu. »Ich geh in die Stadt, um zu helfen. Vielleicht hör ich ja was.« Er brachte es nicht über sich, Milly zu erwähnen. Tom verstand. Er nickte nur. An diesem Tag war nichts Neues in Erfahrung zu bringen. Millys Leiche war wohl weit flussabwärts getrieben worden. Am Dienstag sorgte eine erneute Sturzflut für weiteres Chaos. Die Bachbewohner, die in ihre Hütten zurückgekehrt waren, wurden wieder weggewaschen. Trümmer, von der sinkenden Flut abgelagert, wurden erneut aufgewirbelt und weiter den Bach hinuntergespült. Millys Leiche wirbelte mit allem anderen herum und wurde dorthin getrieben, wo sie unentdeckt blieb, bis kaum mehr davon übrig war als gebleichte Knochen, eingehüllt in kaum noch identifizierbare Stofffetzen. Die schreckliche Lage, in der so viele steckten, war das einzige Gesprächsthema der Männer in der Grube. »Sammy kümmert sich um uns. Captain Roach hat geholfen, wo er konnte.« »Ich hab gehört, die Gesellschaft will mehr Cottages bauen.« »Das werden sie müssen. Hast du nicht die Notiz an der Tür der Schmiede gesehen?« »Was stand drauf?« »Niemand darf mehr im Creek leben. Es gilt ab jetzt als widerrechtliches Betreten. Wer nach dem ersten Dezember noch dort wohnt, wird nicht mehr in der
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