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Land Spielen

Land Spielen

Titel: Land Spielen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Mezger
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aussieht, wie sie dasitzt, wie sie sich die schönen Haare aus dem schönen Gesicht streicht oder aus dem Nacken, den sie dabei schön präsentiert. Ein schönes Paar, viel schöner als ich und er, viel passender, denkt Vera. Schön, wie Christine ins Schwärmen kommt über das schöne Leben. Vera sitzt auf der Lehne des Sessels, der dem Sofa gegenübersteht. Vera hat freie Sicht auf das Schauspiel, das so tut, als sehe es auch ohne Zuschauer nicht anders aus, das tut, als sei es nicht in schöner Routine nur für sie, Vera, inszeniert, und zwar so, dass sie, Vera, sich dabei überflüssig vorkommt. Da kann Christine sie noch so geschickt anfangen einzubinden, Fragen nach der Gartenarbeit können Vera nicht täuschen, sie gibt kurz angebundene Antworten. Christine will wissen, wie der Rhabarber gedeiht, will plaudern über Herbst und Winter und dass es bald Zeit werde, ihr Strickzeug wieder hervorzuholen. Sagt, dieses Jahr werde sie die Sache mit der Ferse knacken. Dass ihr Interesse nur von ihrem wahren Fokus ablenken will, ist offensichtlich, ihr unschuldiges Getue ist unglaublich durchschaubar, aber sie macht keinen Fehler.
    Und Vera weiß: alles. Und sieht: nichts.
    Sie entschuldigt sich, findet einen Grund, in die Küche zu gehen und mit Tellern und Töpfen zu klappern. Kommt Vera zurück ins Wohnzimmer, sehen Moritz und Christine unverändert aus, kein Fuß, der sich ertappt zurückzieht, Arme und Beine wohlgeordnet am richtigen Platz.
    Und Vera schweigt. Was bei einer Schweigerin nicht weiter auffällt.
    Moritz grummelt an Morgen von Tagen, an denen er zur Arbeit muss, und schwingt beschwingte Reden an Abenden von Tagen, an denen wir Besuch hatten. Er legt lachend den Arm um Veras Hüfte, eheliche Rechte und Pflichten kommen trotz Belagerungszustand nicht zu kurz, die Kleineren von uns schlafen unruhig, weil gestört durch unterdrücktes Schnauben aus dem Elternschlafzimmer.
    Anlass zu Streit gibt es dennoch (man findet immer einen Weg), das beste Thema ist immer das fehlende Geld, gefolgt vom fehlenden Plan, den maroden Ofen zu reparieren.
    *
    »Was ist denn nun mit dem Ofen, was ist denn nun mit dem Geld?« »Was soll der Vorwurf?« »Das ist kein Vorwurf.« »Es klang aber so.« »Weil es dir offensichtlich nicht wichtig ist.« »Natürlich ist es mir wichtig.« »Dann sollten wir es bald klären, oder etwa nicht?«
    Klärende Gespräche beim Abendessen nennen sich Diskus„sionen und steigern sich dann doch bloß zu Streitereien, sind dann doch bloß einstimmige Überzeugungsreden. Sie kulminieren in scharfen Tönen und Gegenanklagen, ebben ab beim Verlesen der Gegenverurteilung. Der Verteidigung, die ja eigentlich Anklägerin war, wird das Wort nicht erteilt, aber in einem rhetorischen Schlusscrescendo wird weitestgehend verziehen. Unser Rechthaber behält das Wort, behält immer recht, gewinnt jeden Streit, es sei denn unsere Diskussionsanzettlerin beendet das Gespräch vorzeitig und sagt, das alles habe keinen Sinn. Verlässt sie das Schlachtfeld, ist das Geschrei groß, drei der Anwesenden verkriechen sich unter dem Küchentisch, treffen sich überdacht in geschützter Atmosphäre. Sie schauen Stühlen zu, die nach abruptem Aufstehen umzufallen drohen, hören hinterhergerufenen Drohungen zu, die das leise Schließen der Küchentür übertönen. Wir warten auf hinterherfliegende Teller und Tassen, sind froh, wenn die Küchentür erneut aufgeht, wenn wenig später die Haustür mit lautem Knall schließt.
    Die stille Streitverweigerin kommt zurück in die Küche, wo sie reine, aber erneut dicke Luft atmet, denn unter dem Tisch sind ebenfalls Unruhen ausgebrochen. Ralf, der auf der Küchenbank liegt, erinnert die Kleineren, die vor ihren Stühlen hocken, unter dem Tisch durch daran, was Scheidung bedeutet, Fabian würde zum Türknaller ziehen wollen, Ada will nicht, dass er das will, will nicht an Scheidung erinnert werden, Fabian sagt, das hast nicht du zu entscheiden, Ralf sagt, dass sie hier auf dem Land die einzigen Scheidungskinder wären, Fabian findet das ein Argument für den Schritt der Eltern, die diesen gar nicht in Erwägung ziehen.
    Die Gründe und die Positionen der kleineren Streithähne und -hennen mögen noch unklarer sein als die der erwachsenen, das hindert Schienbeintreter und Faustkämpfer allerdings nicht, ihr Schulwissen in der Praxis auszuprobieren.
    *
    Wir holen frische Milch beim Nachbarsbauer des Nachbarsbauern. Immer sind es die Kleineren, die diese tragende Rolle übernehmen

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