Land Spielen
eine Ladung. Andreas zerrt sein Tuch vom Kinn, wirft die Sonnenbrille auf den Boden, dicke Tropfen prasseln auf das getönte Glas.
Dicke Tropfen fallen auf nackte Schultern, in der Hitze des Gefechts hat man den eigenen Schweiß längst vergessen. Der Regen prasselt auf den letzten Ballen, doch bevor er sich vollsaugen und zu schwer werden kann, lässt Moritz Kapuze Kapuze sein, lässt sich ein letztes Mal helfen, das unförmige Ding aufzuladen. Wir stützen ihn von der Seite, begleiten ihn zur Leiter, applaudieren uns selbst für unser dreitägiges Tagwerk, und dann ist endlich Zeit, das Gesicht in den Regen zu halten, mit der Zunge Tropfen aufzufangen und die willkommene Abkühlung zu ge„nießen.
Später, unter dem Vordach des Hauses, starrt Ada in die Regenwand, die dicht vor ihrem Gesicht herunterprasselt, Andreas atmet zum ersten Mal seit Tagen wieder tief durch, Christine kühlt ihren roten Kopf mit der Flasche Bier, die ihr Vera in die Hand gedrückt hat. Und statt ihren Unmut über drei Tage Uneinigkeit endlich in Worte zu fassen, sagt Vera: »Danke für eure Hilfe. Ohne euch hätten wir das nie geschafft!«
Moritz, Ralf und Fabian haben unterdessen das Heu so gut verteilt, wie es sich verteilen ließ. In den nächsten Tagen werden wir es nochmals umschichten müssen. Aber jetzt darf man erst mal durchs Nass eilen, sich unter dem rettenden Hausdach schütteln wie Hunde. Moritz wringt lachend die Sennenkutte aus, er bedankt sich bei seiner Frau für das Bier und bei den Gästen für die Mitarbeit.
Prost, prost, prost.
Und nach dem ersten Schluck: »Wenn das Wetter will, ist nächste Woche die untere Wiese dran. Kommt ihr wieder?«
D REI
Der Sommer geht zu Ende, die Schulpflichtigen dürfen wieder täglich den Dorflehrer sehen, den sie auch in den Sommerferien beinahe täglich sehen mussten, unsere Geldverdiener verdienen wieder Geld mit Arbeitengehen statt mit bezahltem Freimachen. Sitzt Moritz nicht auf dem Gemeindeschreiberplatz, wartend darauf, dass den alten Gemeindeschreiber erneut der Schlag trifft, dann fährt Vera singend zur Arbeit, obwohl sie es trotziger tut und weniger hymnisch als anfangs, weil sie weiß, dass Moritz täglich Besuch bekommt, der gerne bei der Hofarbeit hilft oder mit dem Hofarbeiter vor dem Haus sitzt und sich freut, dass ihr Mann wieder vor seinen Klassen stehen muss.
Christine bewundert Moritz für die Art, wie er lebt, Moritz freut sich über Christine wegen der Art, wie sie ihn bewundert. Man sitzt vor dem Haus oder beschäftigt sich mit Handwerklichem, geht sich zur Hand, manchmal berühren sich Ellbogen oder Schultern flüchtig, wie das eben so ist, wenn man zusammen arbeitet oder zusammen auf einer Bank sitzt.
Und während es Herbst wird, die Sonne das letzte Dunkelgrün aus den Wiesen und Bäumen presst, ist Christine gänzlich aufgeblüht. Vergessen die Zeit, als sie nicht mehr ein und aus wusste vor lauter Kummer und also winterlang drinblieb im Lehrerwohnzimmer. Der Dorflehrer ist froh, dass es seiner Frau gut geht, ist gar nicht froh, dass er sich dabei so überflüssig vorkommt. Sie hatten sich das Leben hier anders vorgestellt, mal einen Anfang machen und dann Kinder, Wohn- und Arbeitsort sind so nahe wie nur möglich, das ist ein Vorteil, sechs Klassen gleichzeitig und keine Arbeitskollegen, diesen Nachteil nahm Andreas in Kauf, es sollte ja nicht für immer sein. Man muss sich ja auch nicht ewig abschotten hier an diesem gott- und menschenverlassenen Ort, denkt der Dorflehrer, während er in Kinderaugen schaut, die kaum anderes gesehen haben als diesen Ort, den sie wahrscheinlich lieben, weil die Eltern sagen, dass das die Heimat sei. Für Andreas ist der Ort kein Zuhause geworden und auch für Christine offenbar erst, seit sie täglich Spaziergänge unternimmt, die in Besuchen von anderen Landneulingen enden.
Ralf und Ada freuen sich derweil, dass sie wieder täglich dem schönen Förster junior begegnen. Ralf fragt sich, wie er seinem Freund erneut nahekommen könnte, aber bringt es kaum übers Herz, ihn zu fragen, ob er die geliehenen Comichefte gelesen habe und ob er sich bei Gelegenheit neue leihen wolle. Adas Freude ist da einfacher, sie besteht aus reiner Liebe, und reine Liebe fordert nichts. Außer vielleicht: das Objekt der Begierde so oft wie möglich vor Augen. Also schaut Ada selten auf die vor ihr liegenden Aufgaben und oft auf den braungebrannten Nacken des schönen Försterzöglings, wo eine schwarze Locke sanft hin und her tanzt,
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