Land Spielen
sich wieder erholenden Badezimmerneonröhre alles im Badezimmer zusammenrottet. Die Schlange unter dem Schrank ist da noch das Harmloseste. Die versteckt sich ja sogar jedes Mal, wenn wir Ada zu zeigen versuchen, dass da keine Schlange ist.
Ada bleibt im Bett. Auch wenn sie nicht einschläft, tut sie zumindest so, in der Hoffnung, sich selbst ebenfalls zu überzeugen. Es ist dunkel, es gibt keine Hoffnung auf Licht. Wenn Ada jetzt aufstehen und aufs Klo müsste, müsste sie den ganzen schwierigen Lampenparcours absolvieren, also appelliert Ada auf Unzurechnungsfähigkeit, also pinkelt sie ins Bett. Und während sie neben uns steht und tut, als schäme sie sich, während wir das Laken wechseln, die Matratze umdrehen, damit sie trocknen kann, während wir ihr Tipps geben, wie das nicht mehr passieren kann, während wir fragen, wie das passieren konnte, antwortet Ada: »Es ist eben passiert.«
*
Sie: »Und? Was gibt es heute zu tun?«
Er: »Man kann nicht immer arbeiten.«
Sie: »Man kann nicht immer Pause machen.«
Er: »Willst du Kaffee? Es ist noch welcher da.«
Sie: »Danke.«
Er: »Danke, ja?«
Sie: »Danke, nein.«
Er: …
Sie: »Den Herbst mag ich am liebsten, wenn der Wind so wie jetzt, und die Bäume …«
Er: »Ja.«
Sie: »Der Herbst räumt auf.«
Er: »Der Herbst räumt auf?!«
Sie: »Naja, ach, ja, du weißt schon.«
Er: »Wir könnten ein paar Schritte gehen. Da hinten hoch, das wollte ich schon lange mal, die Aussicht müsste toll sein.«
Sie: »Die
ist
toll.«
Er: »Du warst da schon mal?«
Sie: »Wir können ja schauen, wie weit wir kommen. Aber meine Schuhe sind nicht die besten.«
Er: »Warst du nun schon mal da oder nicht?«
Sie: »Na komm, lass uns gehen!«
Der Weg führt erst querfeldein, dem Nachbarsbauer kann es egal sein, die Heusaison ist beendet. Christine sagt, sie habe doch gesagt, dass ihre Schuhe nicht die besten seien. Moritz echot mit hoher Stimme: »Meine Schuhe sind nicht die besten«, Christine lacht, sagt, es könne eben nicht jeder so ein Kerl sein wie er. Und der Kerl sagt: »Gleich kommt wieder der Weg, Baby!«
Christine hebt die eine Augenbraue, auch Moritz erschrickt über seine Wortwahl. Während sie gerne im Rollenspiel bliebe, führt er das Gespräch nahtlos weiter, veralbert, was er gesagt hat, verwischt, was er denkt, wenn er seine Mitspaziergängerin betrachtet. Eine kurze Anhöhe führt hoch zum eigentlichen Weg, Moritz lässt seiner Begleiterin den Vortritt, genießt kurz die Aussicht, nennt Christine eine großartige Bergsteigerin, die großartige Bergsteigerin steckt sich das zu kurze T-Shirt zurück in die Jeans. Die Jeans mag keine Abdrücke der Unterwäsche preisgeben. Die großartige Bergsteigerin bezeichnet ihren Hintermann als ausgezeichneten Sherpa und bleibt oben auf dem Weg stehen. Moritz: »Noch sind wir nicht einmal im Basislager.« Er zieht seine Fleecejacke aus, bindet sie sich um den Bauch, sie tut dasselbe, dass sie auch noch einen Pullover trägt, hatte Moritz nicht gesehen.
Sie folgen dem Weg, der sich langsam hügelaufwärts schlängelt. Hier ist es wieder flacher, sie finden wieder einen Rhythmus, Christine findet wieder Atem und findet zurück zu ihrem Lieblingsthema, das sich um unser Leben dreht und darum, wie toll sie dieses findet. Moritz hört gerne zu, lässt sich gerne bewundern, ist froh, dass es wenigstens eine Person gibt, die uns beneidet für die Art, wie wir leben. Dass wir es richtig machen, dass wir ein Zuhause haben, dass wir eine Familie sind, ein Team, dass wir gemeinsam unverwundbar sind.
Der Weg wird steiler, die Sätze abgehackter, das Spaziertempo bleibt hoch. Die Arme schwingen neben den Körpern, manchmal berühren sich Handrücken, Moritz hält das Gespräch trotz Steigung am Laufen, fürchtet sich wohl vor dem, was kommt, was zwingend kommen müsste, wenn geschwiegen würde.
Während er spricht, während er Bälle zuspielt, während er auf Stichworte wartet, denkt er an heute Morgen. Er hat sich diesen Spaziergang überlegt, er hat beschlossen, es darauf ankommen zu lassen. Und während er geht, so uneindeutig wie möglich flirtet, authentisch tut und wortreich verschweigt, was er wirklich denkt, spaltet er sich langsam auf in zwei Menschen. Der eine ist unterwegs mit einer schönen Frau in schöner Umgebung, der andere sitzt auf der Treppe vor dem Haus, schaut auf unsere Hecke, die schon üppig wächst, die verwildert aussieht und uns abschirmt vor einheimischen Blicken. Der andere hat die Tiere
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