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Land Spielen

Land Spielen

Titel: Land Spielen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Mezger
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Grund, wortlos hier zu stehen.
    Es gibt keinen Anlass, jetzt an seine Familie zu denken, an das Team, man ist schon kilometerweit entfernt von zu Hause, dann darf man wohl einmal stehen bleiben, dann darf man schweigen, darob verlegen werden und sich von der Sonne blenden lassen, damit es einen Grund gibt, das Gesicht zu einem Lächeln zu verziehen.
    Es ist kühl, Jacken werden wieder angezogen, Reißverschlüsse bleiben offen, Arme bleiben nutzlos neben Körpern hängen.
    Natürlich hat keine Dorflehrersfrauenhand etwas zu suchen in zentimeternaher Nähe von der Hand des größten Landspielverfechters, natürlich darf sich diese Lücke zwischen den Händen nicht verengen, diese anderthalb Zentimeter, die den kleinen Finger einer linken Hand von einem kleinen Finger einer rechten Hand trennen. Ein linker Arm und ein rechter Arm werden neben einem weiblichen und neben einem männlichen Körper baumeln gelassen. Das ist nichts Außergewöhnliches, das ist nichts Schlimmes. Nur die Dorfmenschen würden anders in die Ferne sehen, würden beide Hände in den Hosentaschen lassen. Sie würden die Heimat anschauen, sich die Sonne ins Gesicht scheinen lassen, aber wenn sich bei ihnen das geblendete Gesicht verzieht, dann sieht das nicht aus wie ein Lächeln, sondern als kauten sie gerade auf etwas herum. Wahrscheinlich auf etwas Bitterem. Oder auf Kautabak. Obwohl die Stumpenraucher ihre Droge für gewöhnlich anders einzunehmen pflegen.
    Ja, man sollte jetzt besser über Dorfmenschendrogenkonsum und Stumpenrauchergesichter nachdenken als über die Spannung, die langsam zwei Nacken hochsteigt, während sich die Lücke zwischen zwei kleinen Fingern langsam schließt, bis sich zwei kleine Finger endlich leicht und leise berühren. Man sollte nicht an den eigenen und den fremden Atem denken, der plötzlich auf Brusthöhe bleibt, als müsse man genau hinhören auf dieses unhörbare Geräusch, das das mittlere Glied eines kleinen Fingers verursacht, wenn es über die kaum sichtbaren Härchen eines anderen kleinen Fingerrückens streicht. Auch auf dem streichelnden Finger sind leichte Härchen, dunkler und dichter als auf dem gestreichelten, der nackter aussähe, wenn man hinschaute. Aber es reicht, dass Härchen und Fingerglied die Topografie erfassen: Erst der kurze Weg über den bei ungebeugtem Finger kaum wahrnehmbaren Knöchel, dann die lange Strecke über das erste Fingerglied, der kurze Anstieg, das runzelige Teilstück bei der Überquerung des ersten und größeren Gelenks, dann trifft ein mittleres Fingerglied seinesgleichen, der nächste Hügel ist klein und das Gelände über dem Gelenk fühlt sich knochiger an, die Erkundungsfahrt ist bald beendet, führt ins Delta des Fingernagels, wo Umkehr beschlossen wird. Und so wandert der Finger zurück am Finger, wendet wieder und wieder, bis auch die Fingerkuppe und auch die Fingervorderseite ins Spiel kommen, bis mehrere Finger über und durch mehrere Finger streichen, bis sich die Daumen ebenfalls einschalten, bis aus dem Berühren ein Fassen wird, bis sich die Finger immer nachdrücklicher verzahnen und immer kräftiger verbiegen und kneten, auf dass der Atem zum ersten Mal wieder tief in den Bauch und in den Rücken strömt. Das Zwerchfell behält die Aufspannung, die Luft verlässt die Münder nur gepresst. Denn nun wandern Hände an Faserpelzärmeln hoch, treffen auf Schultern, treffen auf Nacken, die ihrerseits die Berührung zu suchen scheinen, was zu einer runden, wackelnden Bewegung von Köpfen führt.
    Die Gesichter trauen sich noch immer nicht, sich von der Sonne abzuwenden, die Wärme, die die Körper durchströmt, kommt aber nicht von ihr, kommt wohl irgendwo von innen, Faserpelze scheinen plötzlich zu warm, kalte Hände suchen beim Kragen Einlass, finden freie Hautpartien zwischen Schulter und Hals, arbeiten sich langsam Richtung Schulterblatt vor, erzeugen Gänsehaut, die sich Wirbel für Wirbel rückenabwärts fortsetzt.
    Der Druck der Hand nahe dem Schulterblatt initiiert die Bewegung, die beide Körper von der Aussicht weg- und einander zudreht, man steht sich nun gegenüber, nur noch jeweils ein Auge wird geblendet, die Gesichter bleiben leicht verkniffen, es ist der beste Ausdruck, der im Moment zur Verfügung steht, denn er lenkt am besten von der Unsicherheit ab, ob man sich in die Augen schauen soll oder nicht. Und falls man schaut,
wie
man schaut.
    Eine bis vor kurzem noch unbeschäftigte Hand löst das Problem, fährt über eine fremde Augenbraue,

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