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Land Spielen

Land Spielen

Titel: Land Spielen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Mezger
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Gast etwas zuzuflüstern, das auch andere Nahestehende hören können und sollen: »Sehen wir uns nachher? Wir könnten ja wieder einmal in den Wald.«
    Ada spürt ein Beben, das durch den Försterjungenkörper geht, sie schaut an ihm hoch, sieht, dass der Schönste auf die Unterlippe beißt. So hat sie ihn noch nie gesehen, Ärger scheint er ansonsten nicht zu kennen, selbst wenn wir Ärger kriegen und Prügel, hat er doch immer ein Lachen auf den Lippen. Fröhlich oder hämisch, so kennen wir ihn, aber auch Zusammenreißen steht ihm gut, das Blut steigt ihm ins Gesicht. Ada wird es gleichermaßen warm. Der Förster befiehlt dem Dorflehrer, sich zu seinen Schülern dazuzustellen, und bestellt anschließend ein kollektives Lächeln. Ada sieht auf die Försterjungenhand, die sich unweit der ihren befindet. Die Liebe, die sie empfindet, dürfen ruhig alle sehen, und Ada weiß aus Erfahrung: Wer Liebe gibt, wird Liebe bekommen, Ralf ist ihr keine Konkurrenz, nur weil er schneller war, hier ist er, der Schönste der Schule, der Schönste des Dorfs, hier ist sie, die schöne Hand des Schönen, zart und olivgrün schimmernd, eine Farbe, wie sie Ada noch auf keiner Dorfkinderhaut gesehen hat. Ada greift nach der Hand, hält sie fest, hält sich zärtlich daran, der Förster scheint zufrieden mit den fröhlichen Kindergesichtern, klick.
    Das Foto wird später zehn gelangweilt lachende Kinder und drei mit roten Köpfen zeigen. Der kleinste Kopf und das strahlendste Lächeln gehören Ada, an der von anderen Schülern verdeckten Hand ihres Liebsten, der den zweiten roten Kopf und einen verkniffenen Gesichtsausdruck hat. Daneben sieht man Ralf: unkonzentriert, sich schämend, abwartend, was passiert.
    Adas Glück ist von allerkürzester Dauer, irritiert und genervt entwindet sich der Försterssohn sofort ihrer Hand, Ralf muss länger auf eine Reaktion warten. Die Umstehenden haben wohl nicht verstanden, dass die Frage an den Sohn des Försters eine Botschaft an sie war, der Gefragte versteht das sehr wohl, aber noch ist sein Vater in der Nähe. Das macht ihn erst handlungsunfähig und dann, als der Förster durchs Schließen der Feuerwache abgelenkt ist, macht es ihn unaufmerksam. Er hat den Vater und nicht den Dorflehrer im Blick, während er Ralf mit der flachen Hand einen Hieb auf den Hinterkopf versetzt. Noch bevor Ralf vor weiteren aus dem Nichts zu kommen scheinenden Schlägen in Deckung gehen muss, ist der Lehrer zur Stelle. »Was soll das?!« Er packt den Försterssohn bei den Schultern, fragt Ralf, ob alles in Ordnung sei. »Ach, das war nur Spaß«, antwortet Ralf mit brummendem Kopf. »Was ist los?«, fragt der Förster, der nun dazukommt.
    Das Foto wird nichts davon zeigen. Wir werden durch die Scheibe der Feuerwache spähen, werden es an der Wand entdecken, viel zu klein, um auch nur die Gesichter auseinanderhalten zu können, aber groß genug in unserer Erinnerung. In Adas, weil es ein Verlobungsfoto ist, all die anderen Schulkinder, die nicht ins Bild und nicht ins Konzept passen, sind vor dem geistigen Auge längst aus dem Foto entfernt. Für Ralf bedeutet das Bild eine Erkenntnis, denn schon auf dem Weg nach Hause wurde er vom Försterssohn eingeholt, der sich eben noch vor seinem Vater rechtfertigen musste. Dass Ralf ihn nicht verpfiffen hatte, schien keine Rolle zu spielen, denn vom Dorflehrer lässt man sich nicht gerne vor dem eigenen Vater bloßstellen. Wir fürchteten weitere Prügel, waren aber ausnahmsweise drei gegen einen. Der Försterssohn begnügte sich mit einem leise gezischten »Ihr steckt doch mit dem Dorflehrer unter einer Decke. Das ganze Dorf weiß das.« »Aber …«, setzte Ralf an, doch der Försterssohn nahm sich nicht die Zeit für Gegenargumente, bog abrupt und schon vor der Brücke ab, nahm eine Abkürzung querfeldein. Und Ralf blieb zurück mit einem halben Satz (» … die kommen ja schon lange nicht mehr zu Besuch.«) und einer Erkenntnis. Nun kannte er endlich das Problem seines Freundes, und nun weiß er auch, was dagegen zu tun ist.
    *
    Fabian will nicht schreiben lernen. Er will selten das, was alle wollen. Wollen wir Ruhe, will er laut sein, wollen alle lesen lernen, will er erzählen, statt sich Schulwissen anzueignen, will er lieber seine Fuchsschwanzfähigkeiten ausbauen. Er will nicht runde Buchstaben aufs Papier malen, erst in große Häuschen, die von Woche zu Woche kleiner wurden, bis die Querlinien eine Klasse höher ganz verschwanden und da nur noch vier hellgraue

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