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Land Spielen

Land Spielen

Titel: Land Spielen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Mezger
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dann endlich eine Familie gründen. Falls man überhaupt Kinder bekommen kann. Und wenn es an mir liegt, dann weiß ich das lieber jetzt. Denkt Andreas. Diese Abklärungen haben wir viel zu lange vor uns hergeschoben. Denkt er. Denkt: Schluss mit all den Übergangssituationen, allen »Falls« und »Wenns« und Konjunktiven! Reiner Tisch und Neuanfang!
    Ralf hat längst aufgelegt, Andreas starrt noch immer den Hörer an. Die zweite Nummer kann er nicht mehr auswendig, es hätte der erste Anruf werden sollen, aber man kann ja nicht alles auf einmal tun und nicht alles allein.
    Er geht zum Empfang, fragt nach einem Telefonbuch, um die Nummer des Försters nachzuschlagen. Er bekommt es, bleibt unschlüssig am Tresen stehen, erntet einen fragenden Blick der Empfangsschwester: »Ja?«
    »Hm, ach ja, noch was«, murmelt Andreas. Ob er sich hier einen Termin für eine genetische Untersuchung geben lassen könne.
    Dann endlich wählt er die Nummer des Försters.
    Ein Nachname ist zu hören, Frauenstimme, lispelnder Akzent, der Name ist typisch für diese Gegend, die Aussprache macht ihn zum Fremdwort. Der Dorflehrer erklärt der Förstersfrau Joy, wo ihr Sohn sei und dass sie herkommen solle. Sie antwortet knapp, er hofft, dass sie auch wirklich verstanden hat, legt auf und überlegt, mit welchem von Fabians Elternteilen er lieber sprechen soll.
    *
    Im Klassenzimmer sitzt Fabian, Christine hat ihm eingebläut, über das nachzudenken, was er getan hat, sie redet dennoch weiter auf ihn ein, er könnte sich auch dann nicht auf Reumütiges konzentrieren, wenn er es wollte. Fabian langweilt sich. Das Gefühl ist nicht neu, neu ist bloß, wie allumfassend sich diese Langeweile anfühlt. Er sitzt da, starrt vor sich hin, weil ihm nichts anderes übrig bleibt. Er wartet, bis das Geschwafel der einfühlsamen Gewaltversteherin endlich abebbt. Er wartet auf Strafaufgaben, die er abarbeiten kann. Oder sonst etwas, das diese Leere füllt. Er wartet darauf, nach Hause zu kommen, eine echte Strafe zu bekommen und von Ralf ein heimlich zugeflüstertes »Danke«, denn dass er, Fabian, nichts falsch gemacht hat, daran besteht kein Zweifel.
    Christine redet, fragt den Jungen aus, erhält keine Antwort. Und dennoch steht diese immer klarer vor ihr. Denn während Christine spricht von Grenzen, die man nicht überschreiten dürfe, über Konflikte, die sich auch mit Worten lösen ließen, von Aggressivität, die sich anders abbauen lasse, während sie Fragen stellt und nachbohrt, während sie sich bereit zeigt, den Täter auch als Opfer zu sehen, lässt sich eine in ihr aufsteigende Einsicht nicht mehr abwimmeln: das Ventil, das dieser kleine Gewalttäter doch bloß gesucht hat, der Druck, der zu Hause herrschen muss, die Person, die für alles verantwortlich ist.
    Sie nimmt ihre einfühlsame Hand von Fabians Unterarm, alles Fragen hat sich erübrigt, sie spürt, wie ihr das Blut ins Gesicht schießt. Erst ist es die heimliche Freude, weil sie sieht, dass die Begegnungen mit Moritz nicht spurlos geblieben sind, ihre heimliche Liebe stiftete Unruhe, das kann sie hier sehen, also ist diese Liebe bewiesen, wenn auch die Gegenliebe nie erklärt wurde. Hier am Ende der Kette sieht sie Fabian, der wegen ihr zum Übeltäter wurde. Christine wischt die Freude darüber weg, steht auf, sagt: »Es tut mir leid.«
    Und jetzt schaut Fabian doch auf, er schaut fragend, beobachtet die Dorflehrersfrau, die nun im Schulzimmer umhergeht, die sagt: »Wir renken das wieder ein«, die rät: »Mach deine Hausaufgaben, falls du welche hast«, die verspricht, dass alles längst vorbei sei, sie werde sich nicht mehr einmischen.
    Sie fährt dem Übeltäter, dem sie nichts mehr übel nehmen kann, übers Haar, wiederholt, dass das zu Hause schon wieder in Ordnung komme, er werde sehen. Dann verlässt sie den Raum.
    Fabian bleibt irritiert zurück, versteht nicht, was die Dorflehrersfrau mit der Sache zu tun haben will.
    Das Rätsel wird auch dann nicht gänzlich aufgelöst, als sie das Klassenzimmer eine halbe Stunde später wieder betritt. Diesmal in Begleitung von Vera, die von Andreas informiert wurde, dass man Fabian abholen kommen soll. Christine bleibt im Türrahmen stehen, Vera tritt an Fabians Pult, schaut ihn mit einem scharfen Blick an, fragt, was eigentlich mit ihm los sei. Bevor dieser antworten kann, interveniert die Dorflehrersfrau: Es tue ihr so leid, sie wisse, dass sie alles kaputtgemacht habe, sie habe nie beabsichtigt, Unruhe zu stiften, das alles sei ihre

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