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Landgericht

Landgericht

Titel: Landgericht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: U Krechel
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Vaterschaft waren keine Reflexe, die zeit- und bedingungslos funktionierten. Vater und Mutter zu werden im Jahr der Krise mit unendlich vielen Arbeitslosen, war anders als noch vor drei Jahren ein Kind zu bekommen.
    Und gleichzeitig bespielten sie Arbeitsfelder, die so verschieden waren, machten Erfahrungen im Stetigen der Jurisprudenz und in einem gesellschaftlichen Neubaugebiet, der Kinowerbung. Das eine und das andere hatten nichts miteinander zu tun, und wo die Verbindung zwischen den Elementen war, mußte ganz im Stillen ohne Hilfsmaßnahmen und ohne Tamtam entdeckt werden, ja eigentlich, wenn man es altmodisch ausdrückte, aber so empfanden die Kornitzers nicht, „in der eigenen Brust“. Mutterschaft und Vaterschaft waren exemplarische Erfahrungen, die mittelbar blieben. Aber war das Denken darüber überhaupt mitteilbar? Mutterschaft und Vaterschaft – darüber sprachen Claire und Richard Kornitzer nicht wirklich – waren, als sie ihr erstes Kind, Georg, erwarteten, und noch viel mehr, als sie Selma erwarteten, keine anthropologischen oder gar menschheitsgeschichtlichen Erfahrungen, es war eine soziologisch erfaßbare Tatsache geworden. Wer bekam ein Kind? Unter welchen Umständen? Mit welchen Folgen?
    Etwas Neues, Optimistisches begann mit Georgs Geburt, das war fühlbar, und wenn es die Überwindung der Krise war. Die Wohnungsbau-Gesellschaft schickte einen Glückwunsch, auf feinem Papier und mit einer modernistischen Schrifttype. Georg würde gewiß ein einzigartiges Woga-Kind sein und, wenn er sechs oder sieben Jahre wäre, unter den Augen der Mutter und des Vaters, vom Küchenfenster aus, als ein Tenniskind mit weißen Söckchen und einer blitzenden Hose glänzen. Und Claire stellte sich schon vor, wie die kleinen Beine strammer und strammer wurden, sein Aufschlag, sein Blick koordinierter. Sie hatte eine Ahnung von der Eleganz des Sports, aber sie fühlte sich jetzt zu sehr eingenommen von ihrem Beruf, als daß sie viel mit Georg unternahm. Das schlesische Mädchen, Cilly mit Namen, das die Kammer neben der Küche und dem Kinderzimmer bezogen hatte und dem sie das dauernde „Gnä’ Frau“ ganz entschieden (und mit Erfolg) ausreden mußte, trug ihn gerne mit sich herum, spielte mit ihm auf den sonnenbeleckten Dielen, und Georg war zufrieden und das Mädchen offenbar auch, denn es war unbändig stolz, daß die Kornitzers ihm ein Neugeborenes anvertraut hatten, ohne viel nach Erfahrungen zu fragen, die sie zweifellos – außer bei kleineren Geschwistern – nicht hatte. In ihr blankes, freudiges Gesicht zu sehen, als sie das Kind zum ersten Mal auf den Arm nahm, war die Erfahrung, die Claire und Richard interessierte, daraus würden andere folgen, und das war gut so.
    Richard Kornitzer war häufiger zuhause mit dem schlesischen Mädchen, während Claire noch mit Firmenchefs oder mit Kameraleuten und Sprechern verhandelte über einen neuen Werbestreifen. Sie besuchte den Klub der Kameraleute Deutschlands am Reichskanzlerplatz, das Verzeichnis der Trickfilmhersteller war ihr unerläßlich geworden. Die harmonische Zusammenarbeit zwischen Künstlern, Kameraleuten, der beworbenen Firma, die den Auftrag für die Kinowerbung gab, dem gesamten künstlerisch-technischen Stab, dem kaufmännisch-künstlerisch gebildeten Produktionsleiter und dem Regisseur des Werbestreifens war Vorbedingung und gleichzeitig Garantie für den Erfolg. Kunst und Geld flossen zusammen in dem neuen Medium, man wußte nicht mehr genau, was das eine bewirkte und was das andere. Prowerb, die deutsche Propaganda- und Werbedienst G.m.b.H., war 1924 von Fritz und Clara Löwenhain im Grunewald gegründet worden.
Pachtung von Reklamen in Theatern und Lichtspielhäusern
war das ursprüngliche Arbeitsfeld der Firma. Mit den technischen Möglichkeiten veränderte es sich. Nach ein paar Jahren hieß es schon:
Fabrikation von Werbefilmen, Pachtung von Reklamen in Lichtspielhäusern
. Prowerb zog an den Kurfürstendamm, nicht weit vom Universum.
    Der junge Referendar Kornitzer hatte kurze Zeit in der Firma gearbeitet, dabei hatte er die Angestellte Claire Pahl kennengelernt, die den „Laden schmiß“, wie er bewundernd sagte. Er hatte sie kennengelernt und sich schnurstracks in sie verliebt, und gleichzeitig hatte sich das Ehepaar Löwenhain aus der Firma zurückgezogen und sie Claire anvertraut. Jetzt war sie alleinige Geschäftsführerin, und sie hatte Freude an ihrer Arbeit.
    Zuhause in dem eleganten stromlinienförmigen Woga-Bau kümmerte

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