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Landgericht

Landgericht

Titel: Landgericht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Holtkoetter
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Hambrock, dass er trotz aller Bemühungen um eine schlanke Hierarchie offensichtlich vom Tratsch in seiner Gruppe ausgeschlossen war. So etwas verbreitete sich doch normalerweise wie ein Lauffeuer. Zumal Keller bei den Kollegen alles andere als beliebt war.
    Keller bemerkte seinen überraschten Blick.
    »Du hast also doch nichts davon gehört? Keine Angst, ist nichts Dramatisches. Der Junge ist ohne Fahrerlaubnis gefahren, das ist alles. Er hat sich in meinen Wagen gesetzt und wollte ein paar Meter fahren. Dummerweise stand ein parkender Streifenwagen im Weg. Der Idiot hat die Stoßstange mitgenommen.« Er zog an seiner Zigarette und inhalierte tief. »Ach, Herrgott, im Grunde ist es meine Schuld. Ich habe Niklas gesagt, wir machen mal ein paar Fahrstunden. Er ist ja bald alt genug, um den Führerschein zu machen. Ich wollte was mit ihm zusammen unternehmen, ich dachte, das tut uns gut. Und er war so heiß darauf, sich hinters Steuer zu setzen. Allerdings hatte ich eher an die Rieselfelder gedacht und nicht an das Südviertel, mitten in der Stadt. Und außerdem wollte ich natürlich als Beifahrer dabei sein.« Ein letzter Zug, und Keller warf die Zigarettenkippe auf den Bürgersteig. »Schöne Scheiße.«
    »Und heute ist die Verhandlung?«, fragte Hambrock.
    »Ja, gleich geht’s los. Wie gesagt, alles gar nicht so dramatisch. Jugendstrafrecht. Eine Geldstrafe, vielleicht ein paar Sozialstunden, und das war’s. Alles kein Beinbruch. Aber trotzdem hat ihm die Geschichte einen gehörigen Schrecken eingejagt. Und seine Mutter …« Er grinste schief. »Davon fange ich besser gar nicht an.«
    »Ist deine Exfrau denn auch da?«, fragte Hambrock.
    »Und ob. Hockt da wie eine Glucke und lässt Niklas nicht aus den Augen, als müsste sie ihn vor seinem bösen Vater beschützen. Meine Güte. Aber ich hab es wohl nicht anders verdient.«
    Keller warf einen Blick auf die Uhr und zog eine weitere Zigarette hervor. »Sei froh, dass du keine Kinder hast«, sagte er gut gelaunt und zündete sie sich an. »Die machen nichts als Ärger. Wirklich, manchmal beneide ich dich um deine Freiheit.«
    Hambrock lächelte schmal. Er war offensichtlich nicht der Einzige, der vom Bürotratsch ausgeschlossen war. Keller hätte sich diesen Kommentar wohl gespart, wenn er gewusst hätte, dass Hambrock zeugungsunfähig war und sich seinen sehnlichen Wunsch nach eigenen Kindern nie hatte erfüllen können. Während der jahrelangen Versuche, die er und seine Frau unternommen hatten, war im Präsidium viel darüber getuschelt worden. Und bislang hatte auch noch jeder Neue hinter der Hand davon erfahren. Keller bildete da offenbar eine Ausnahme.
    »Niklas scheint mir ein netter Junge zu sein«, meinte Hambrock. »Ich hab ihn ja nur ein paarmal gesehen, aber er machte einen aufgeweckten Eindruck auf mich. Außerdem war er höflich, und das ist selten geworden bei Jungen in dem Alter.«
    »Er ist höflich, das stimmt. Und glaub mir, ich habe keine Ahnung, von wem er das hat.« Keller lachte. Dann wurde er ernst. »Ich sag dir, Hambrock. Kinder zu haben ist etwas Seltsames. Sie nehmen dich völlig in Beschlag, machen Stress, rauben deinen Schlaf. Immer gibt es Ärger, Streit und Quengelei. Scheiben gehen zu Bruch, Lehrer machen Probleme. Ständig liegen die Nerven blank. Aber dann, wenn mal Ruhe ist und du einfach dasitzt und über alles nachdenkst, kommst du zu dem Schluss: Kinder sind das Wunderbarste auf der ganzen Welt, und ohne sie wärst du nichts. Besonders logisch ist das nicht. Muss was mit den Genen zu tun haben.«
    Hambrock spürte seine Trauer. Mit den Jahren, hatte er immer gedacht, würde diese Sehnsucht vielleicht irgendwann nachlassen. Aber so war es nicht. Das Gegenteil war der Fall. Er war nun sechsundvierzig, und immer noch hing er dem Gedanken nach, ein eigenes Kind zu haben. Häufig erwischte er sich bei der Frage, wie alt der Sohn, den er sich so sehr gewünscht hatte, heute sein würde – wenn diese Sache mit der Zeugungsunfähigkeit nicht gewesen wäre.
    Keller blickte wieder auf die Uhr.
    »Es wird Zeit«, sagte er und nahm einen letzten tiefen Zug, bevor er die zweite Zigarette ebenfalls fortwarf.
    »Ich drück die Daumen für deinen Sohn«, sagte Hambrock. »Hoffentlich bekommt er ein mildes Urteil.«
    »Ach, eine Geldstrafe tut ihm vielleicht mal ganz gut. Dann wird er sich in Zukunft mehr Gedanken über die Konsequenzen machen.«
    Keller wandte sich bereits zum Gehen. Er hob die Hand zum Gruß. Da fiel Hambrock noch etwas

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