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Landgericht

Landgericht

Titel: Landgericht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Holtkoetter
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ließ sich auf den Besucherstuhl fallen.
    »Was hältst du von der ganzen Sache?«, fragte er.
    »Nicole war es sicher nicht, davon bin ich ziemlich überzeugt. Sie hätte ihren Bruder nicht ermorden lassen. Mit solchen Mitteln arbeitet sie nicht. Da hätte sie sich was anderes einfallen lassen.«
    »Das denke ich auch. Und Nathalie?«
    »Sie sagt nicht die ganze Wahrheit. Sie verschweigt uns etwas, das war deutlich zu erkennen. Hast du das bemerkt? Sie konnte dich plötzlich nicht mehr ansehen. Wer weiß, ob Marius es sich am Ende nicht doch anders überlegt hat. Vielleicht hat er sich für die Familie und gegen Nathalie entschieden. Dann hätte sie ein starkes Motiv.«
    »Und sie wäre nicht die Einzige«, meinte Hambrock. »Klaus Baar ist nicht unbedingt der Versöhnertyp, wenn du mich fragst. Also: Marius schmeißt sein Erbe hin. Offenbar das größte Verbrechen in seinen Augen. Der Unternehmersohn verschmäht das Vermächtnis des Patriarchen. Ein Affront, der alles andere unwichtig macht. Vielleicht hat er Marius ja nach Gertenbeck gelockt, um sich zu rächen.«
    Keller nickte. »Also reden wir mit Klaus Baar?«
    »Genau das machen wir.«

24
    Es war ein seltsames Gefühl, sich zu seinem Vater ins Auto zu setzen. Wahrscheinlich beging er einen Fehler. Marius hatte seine Familie hinter sich gelassen. Eine gemeinsame Zukunft mit Nathalie stand ihm bevor. Trotzdem schaffte er es nicht, sich seinem Vater zu verweigern. Die Verwunderung darüber, dass er ihm nachlief, war zu groß. Da war ein Teil in ihm, der auf Versöhnung hoffte. Darauf, dass sein Vater ihn liebte, auch wenn er das nie gezeigt hatte.
    Er hätte es besser wissen müssen.
    Die Tür fiel mit einem dumpfen Laut ins Schloss. Die Geräusche des Stadtfestes waren ausgesperrt. Er war mit seinem Vater allein.
    »Ich will eigentlich nicht mit dir reden«, sagte Marius. Seine Stimme zitterte, und er hasste sich dafür.
    »Du bist wütend auf mich«, sagte sein Vater. »Und ich bin wütend auf dich. Wir haben wohl beide guten Grund dazu.«
    Dann dieser Blick, den Marius nur zu gut kannte. Streng, entschlossen und machtvoll. Allein mit diesem Blick schaffte er es für gewöhnlich, seinen Sohn in die Knie zu zwingen. Marius spürte, wie sich Schweiß in seinen Handflächen bildete. Er musste jetzt kämpfen. Sein Vater durfte keine Macht mehr über ihn haben.
    »Sag schon: Was willst du von mir?«, fragte er.
    Sein Vater fixierte ihn. Er schien zu bemerken, dass sich das Machtgefüge verschob. Marius wollte sich nicht mehr herumkommandieren lassen.
    »Ich bin hier, um mich zu entschuldigen«, sagte er schließlich.
    Schweigen. Von draußen war jetzt gedämpft Rockmusik zu hören.
    »Komm zurück, Marius.«
    Marius antwortete nicht, doch sein Herz schlug ihm plötzlich bis zum Hals. Sein Vater fuhr fort: »Ich war sehr erschrocken, als ich von deinen Plänen gehört habe. Und ich war wütend, das kannst du dir sicher denken. Aber nachdem du gestern… nachdem du fort warst, habe ich nachgedacht. Ich habe mich gefragt, wie es überhaupt so weit kommen konnte. Es muss viel schiefgelaufen sein in letzter Zeit. Ich hatte immer gedacht, du brennst darauf, in meine Fußstapfen zu treten. Und dann erfahre ich, das Gegenteil ist der Fall.«
    »Papa… bitte. Ich wollte nicht…«
    »Du wolltest einfach abhauen. Alles hinschmeißen. Und mit mir wolltest du nicht einmal darüber reden. Ich sollte vor vollendete Tatsachen gestellt werden.«
    Marius fühlte sich schuldig. Gleichzeitig war er jedoch aufgeregt. Sein Vater redete mit ihm wie mit einem Gleichberechtigten. Das hatte er noch nie getan. Normalerweise gab es da nur diesen Befehlston, und Marius hatte zu tun, was gesagt wurde. Sein Vater hatte mit ihm immer wie mit einem Kind gesprochen. Und jetzt das. Was für ein Unterschied.
    »Du musst mir die Chance geben, mit dir zu reden«, sagte sein Vater. »Wir finden bestimmt eine Lösung. Ich mache mir Vorwürfe, weil du das offenbar nicht erkannt hast. Wir gehören doch zusammen.«
    Marius schluckte. Wir gehören zusammen. Das waren die Worte, nach denen er sich ein Leben lang gesehnt hatte. Aber er durfte Nathalie nicht vergessen. Ihre gemeinsame Zukunft.
    »Komm mit nach Hause«, sagte sein Vater. »Und dann reden wir. Komm zurück.«
    »Ich… kann das nicht.«
    »Doch, das kannst du.«
    Marius schloss die Augen.
    »Ich brauche dich für das Unternehmen. Für unser Unternehmen.«
    »Du brauchst mich nicht. Du hast doch Nicole. Sie könnte meinen Platz

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