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Landgericht

Landgericht

Titel: Landgericht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Holtkoetter
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mit den besten Noten werden als studentische Hilfskraft beschäftigt. Deine Noten werden dafür niemals ausreichen.«
    »Irgendeine Firma wird mich schon nehmen«, sagte Marius.
    »Ohne Kontakte? Ohne abgeschlossenes Studium? Das bezweifle ich.« Er lächelte. »Du hättest mit dem Schwerpunkt Marketing studieren sollen, so wie Nicole. Dann könntest du wenigstens in der Werbung arbeiten. Aber so…«
    Marius hätte gern widersprochen. Aber sein Vater sprach nur aus, was Marius im Grunde bereits wusste.
    »Ich fürchte, etwas anderes als das hier wird nicht funktionieren«, sagte sein Vater und deutete mit einer ausladenden Bewegung auf das Weinzelt. »Kneipenjobs. Vielleicht ein Copyshop. Aber nichts, wo man Geld verdienen kann. Es bleibt nur der Niedriglohnsektor. Was willst du machen, Marius? Was wird aus dir?«
    Marius drehte sich weg. Nahm den Lappen und schrubbte über die Tischplatte. Sein Vater sollte aufhören. Er wollte das nicht hören.
    »Das war’s dann! Wir machen zu!«, rief sein Chef.
    Er trat von hinten ins Zelt und nahm die Kasse unter den Arm. Er tat, als wären sie allein. Marius drehte sich um. Sein Vater war fort. Als wäre er gar nicht da gewesen.
    »Deinem Kumpel ziehe ich zwei Stunden vom Lohn ab. Kannst ihm einen schönen Gruß bestellen.«
    Was wird aus dir?
    Marius spürte Tränen aufsteigen. Er dachte an Nathalie. Da war diese Sehnsucht nach ihr. Er brauchte sie. Wäre sie jetzt nur hier. Sie würde das Richtige sagen.
    Beinahe grimmig machte er sich daran, die Tische zu säubern. Räumte alles auf, fegte die Gasse vorm Zelt, löschte das Licht. Schließlich ließ er sich seinen Lohn auszahlen und hörte sich die unvermeidliche Standpauke an. Dann trat er ins Freie.
    Was wird aus dir?
    Er zündete sich eine Zigarette an. Mikey war immer noch nicht aufgetaucht. Marius verstand nicht, was mit ihm los war. Bestimmt war er längst zu Hause in der WG. Gleich würde er erfahren, was mit ihm los war.
    Auch Nathalie würde um diese Uhrzeit wieder zu Hause sein. Er musste dringend mit ihr reden. Er wollte von der Begegnung mit seinem Vater erzählen. Ordnung in seinem Gefühlschaos schaffen.
    Das, was sein Vater gesagt hatte, arbeitete in ihm. Ohne einen gut bezahlten Nebenjob würden sie eine ganze Weile in dieser Wohnung in Neukölln bleiben müssen. Er fragte sich, wie lange er brauchen würde, um sein Studium zu beenden. Bislang hatte er nicht einmal einen Platz an der Berliner Uni. Dazu war völlig offen, welche Scheine dort anerkannt werden würden. Vielleicht würde er einiges wiederholen müssen, weil die Anforderungen andere waren. Dann hatte er in den letzten Wochen die Semesterklausuren geschwänzt, das machte es auch nicht gerade besser. Zwei Jahre würde sein Studium mindestens noch dauern.
    Er bog auf die Promenade, die grüne Fahrradstraße entlang der ehemaligen Stadtmauer. Es waren kaum Menschen unterwegs. Er atmete die warme, duftende Luft ein.
    Vor ihm eine Querstraße. Auf dem Kopfsteinpflaster stand ein einzelnes Auto, mitten im Halteverbot. Im Lichtkegel einer Laterne konnte Marius erkennen, dass jemand am Steuer saß. Er näherte sich dem Wagen. Es war ein Mercedes der S-Klasse. Sein Vater. Offenbar wartete er auf ihn. Marius’ Herzschlag beschleunigte sich. Hörte das denn niemals auf?
    Der Mann hinterm Steuer sah ihn kommen. Die Fahrertür öffnete sich, und er stieg aus. Tatsächlich. Es war sein Vater. Er blieb am Wagen stehen und wartete auf Marius.
    Der ging mit schnellen Schritten auf ihn zu. Stopfte demonstrativ die Hände in die Hosentaschen.
    Sein Vater lächelte schief. »Dein alter Herr geht dir heute ganz schön auf die Nerven, oder?«
    »Was willst du denn noch?«, fragte Marius.
    Das sollte genervt klingen, klang dann aber vielmehr erwartungsvoll. Denn Marius konnte nicht glauben, was da passierte. Sein Vater kämpfte um ihn. Auch wenn er es sich nur ungern zugestand, war es genau das, was er sich ersehnt hatte.
    »Ich wollte nach Hause fahren«, sagte sein Vater. »Aber ich konnte einfach nicht. Ich will dich nicht so gehen lassen.«
    »Bitte nicht, Papa. Ich bin müde.«
    »Ich brauche dich, Marius.«
    »Nein, hör zu…«
    »Wir können noch mal von vorne anfangen. Nur wir zwei. Ein Versuch, um mehr bitte ich dich nicht. Gib mir eine Chance.«
    Der kleine Junge in ihm wollte sich am liebsten an seinen Hals werfen. Doch Marius zwang sich, diese Gefühle beiseitezuschieben.
    »Ich ziehe in ein paar Tagen nach Berlin. Es ist alles vorbereitet.«
    »Gib mir

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